Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

SRF-«Tagesgespräch» Verlust, Zynismus, Hoffnung: Die prägendsten Gespräche 2025

Ein Mann, der alles verloren hat und dem die Worte fehlen. Ein Satiriker, der seine Kritiker auslacht. Eine IKRK-Präsidentin, die vor dem «totalen Krieg» warnt. Das «Tagesgespräch»-Team blickt auf die eindrücklichsten Momente des Jahres zurück.

Rund 250 Sendungen liefen im Jahr 2025 – drei Sendungen stechen hervor.

1. Werner Bellwald aus Blatten

Der Kulturwissenschaftler Werner Bellwald verlor beim Bergsturz in Blatten sein Zuhause und sprach offen über Trauer und Neubeginn. Nach der Evakuierung stand er mit nichts da als den Kleidern am Leib. «Was ist Ihnen geblieben?», fragte ihn Moderatorin Simone Hulliger Monate nach der Katastrophe.

Ich hatte zwar den Hausschlüssel dabei, aber das Haus dazu gibt es nicht mehr.
Autor: Werner Bellwald Kulturwissenschaftler aus Blatten

Bellwald antwortete: «Ich stehe mit den Hosen, den Schuhen und dem Rucksack vor Ihnen. Das war’s. Ich hatte zwar den Hausschlüssel dabei, aber das Haus dazu gibt es nicht mehr. Manchmal fühlt es sich an wie in einer Geschichte von Kafka: Man erwacht und beobachtet etwas komplett Irreales, obwohl man selbst mitten in der Situation steht und nicht begreift, was passiert.»

Für das, was hier passiert ist, für diesen Bergsturz, haben wir kein Wort.
Autor: Werner Bellwald Kulturwissenschaftler aus Blatten

Es mache ihn sprachlos, sagte Bellwald – wortwörtlich. «Für das, was hier passiert ist, für diesen Bergsturz, haben wir kein Wort. Es existiert nicht. Das Wort ‹Bergsturz› ist ein Begriff aus dem Hochdeutschen. Es ist ein technischer, distanzierter Begriff, der das emotionale und existenzielle Ausmass der Katastrophe nicht fassen kann.»

2. Deutscher Satiriker Harald Schmidt

Für Diskussionen sorgte Satiriker Harald Schmidt, der mit provokanten Aussagen über Rollenbilder und kirchliche Machtstrukturen aneckte. Er gehöre nicht zur «woken» Gesellschaft, sagte er zu Moderator David Karasek.

42 Prozent der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl waren über 60. Gegen uns regieren zu wollen, ist komplett aussichtslos.
Autor: Harald Schmidt Deutscher Satiriker

Dass man ihm vorwerfe, zur «Kaste der alten weissen Männer» zu gehören, sei «fantastisch, weil es zunächst mal sachlich richtig» sei, so Schmidt im Mai. «Aber um auf deutsche Wahlergebnisse zu kommen: 42 Prozent der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl waren über 60. Um es klar zu sagen: Gegen uns regieren zu wollen, ist komplett aussichtslos.»

Unter einem SPD-Arbeitsminister wäre die Sixtinische Kapelle im Vatikan gar nicht mehr möglich gewesen.
Autor: Harald Schmidt Deutscher Satiriker

Schmidt interessiere sich auch für den Pomp des Vatikans. Das sei grossartig, so Schmidt, doch: «Unter einem SPD-Arbeitsminister wäre die Sixtinische Kapelle im Vatikan gar nicht mehr möglich gewesen. Michelangelo war über 70 Jahre alt und lag zehn Stunden auf dem Rücken auf einem Gerüst, um die Decke zu malen. Da würde heute sofort ein Arbeitnehmervertreter kommen und sagen: Das geht nicht.»

3. IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric

Schliesslich äusserte sich die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Mirjana Spoljaric, über den Zustand der Welt.

Wir beobachten eine Tendenz hin zum totalen Krieg und zum absoluten Sieg. Das ist etwas sehr Gefährliches.
Autor: Mirjana Spoljaric IKRK-Präsidentin

Warum vor allem die Art, wie heute Kriege geführt werden, der IKRK-Chefin grosse Sorgen bereite, wollte Moderatorin Simone Hulliger im August wissen. «Wir beobachten eine Tendenz hin zum totalen Krieg und zum absoluten Sieg. Das ist etwas sehr Gefährliches. Sobald man sagt, alles sei erlaubt, signalisiert man, dass ein Menschenleben nichts wert ist.» Die Staaten seien nach dem Zweiten Weltkrieg zur Einsicht gekommen, dass man die totale Zerstörung nicht wiederholen möchte. «Aber genau dort sind wir jetzt wieder», so Spoljaric.

Jedes einzelne Menschenleben, das man rettet, ist es wert.
Autor: Mirjana Spoljaric IKRK-Präsidentin

Und wie bewahrt Spoljaric angesichts dieses Leids die Zuversicht? «Man kann diesen Job nicht machen, wenn man nicht grundlegend optimistisch ist», betonte die IKRK-Chefin. Sie sei nicht hart, was das betreffe. «Wenn ich verletzte Kinder sehe, die nicht genug zu essen haben, brauche ich einen Moment, bevor ich zusammenbreche. Aber ich muss das Gefühl bewahren, dass man etwas tun kann. Jedes einzelne Menschenleben, das man rettet, ist es wert.»

 

Tagesgespräch, 30.12.2025, 13 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel