Neu haben sich das EU-Parlament und die Mitgliedsländer darauf verständigt, dass Grosskonzerne künftig öffentlich machen müssen, wie viel Steuern sie in jedem EU-Land zahlen. Mitmachen müssten auch 200 bis 250 Schweizer Konzerne.
Ab 750 Millionen Euro Umsatz ist man dabei
Ausschlaggebend sei der Konzernumsatz, erklärt Stefan Kuhn, Leiter der Steuer- und Rechtsabteilung von KPMG: «Ein Schweizer Konzern mit über 750 Millionen Euro Umsatz, der in der EU gewisse Bedingungen erfüllt, muss genauso seine Daten offenlegen wie ein Konzern mit Hauptsitz in der EU.»
Bisher hatten zu solchen Daten nur die Steuerbehörden Zugriff: Neben dem Umsatz werden auch Gewinn, eigentliche Ertragssteuern, Angestelltenzahl und Anzahl Tochterfirmen in der EU erfragt. Das kommt in ein nationales Register und wird auf einer Website öffentlich zugänglich gemacht.
Steuergesetze ändern sich nicht
Obwohl die Konzerne so viel mehr Informationen preisgeben müssten als heute, verändere sich in der Praxis wenig, sagt der Experte: Wirkliche Konsequenzen ausser dieser Publizitätswirksamkeit habe es nicht.
Denn an den Steuergesetzen selbst ändert sich nichts: Firmen können nach wie vor – im erlaubten Rahmen – Steuern sparen. Indem sie etwa Gewinne dort anfallen lassen, wo die Steuersätze niedrig sind. Also zum Beispiel in der Schweiz oder in EU-Niedrigsteuerländern wie Luxemburg und den Niederlanden.
Alliance Süd: Arme Länder profitieren nicht
Was sie tun, wird einfach sichtbarer. Auch für Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen die Steuertricks von Multis engagieren. Dominik Gross von der Entwicklungsorganisation Alliance Sud sagt darum: «Jeder Schritt, der mehr Steuertransparenz verspricht, ist ein guter Schritt.»
Begeistert ist Gross aber nicht. Denn weiterhin könnten Grosskonzerne Gewinne aus Entwicklungs- und Schwellenländern abziehen – und statt dort in der EU versteuern. Das bedeute, dass arme Länder des Südens von der Regel nicht profitierten.
Störend: Konkurrenz kann Daten nutzen
Bei Swissholdings, dem Verband der multinationalen Unternehmen der Schweiz, ist man trotzdem unglücklich über den Vorstoss. Denn die neuen Vorschriften seien nicht nur ein Mehraufwand für die Firmen, sagt Martin Hess, Leiter Steuern von Swissholdings. Es würden auch heikle Daten öffentlich, die dann von Konkurrenzfirmen ausgenützt werden könnten.
Ein Konkurrent könne dann beispielsweise sehen, wenn eine Firma versuche, den tschechischen Markt zu erobern und das vierte Jahr in Folge Verluste schreibe, so Hess. Die Konkurrenz könne dann die Preise noch etwas länger tief halten in der Hoffnung, das andere Unternehmen gebe auf. «Das will man eben gerade nicht», so Hess.
Wahres Schreckgespenst: globale Mindeststeuer
Allerdings ist auch der Lobby-Verband der Grosskonzerne nicht alarmiert. Denn viel wichtiger als die Transparenz in der EU seien die Bestrebungen, die zu einer globalen Mindeststeuer für Konzerne führen werden. Druck für eine solche Mindeststeuer machen vor allem die USA. Dazu kommt das geltende Regime im Rahmen der OEDC, bei dem die Schweiz mitmacht.
Hess sagt dazu: «All diese Informationen geben den Steuerverwaltungen ein Gesamtbild über die schwarzen Schafe. Aber das hier ist für die Tribüne.» Viel bewirken wird die EU mit den neuen Regeln also wohl kaum.