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Strom aus Erdwärme Trotz schlechtem Ruf: Luzern will Geothermie vorantreiben

Aus Erdwärme in grosser Tiefe soll in der Schweiz künftig Strom gewonnen werden. Die Technik sei neu und sicher.

Wer das Wort «Geothermie» hört, denkt in der Schweiz möglicherweise zuerst an die Erfahrungen in Basel und St. Gallen. 10 Jahre ist es her, als in St. Gallen die Erde bebte. Die Erschütterungen ausgelöst hatten Bohrtests für die geplante Tiefengeothermie-Anlage im Sittertobel.

Ähnlich lief es bereits 2006 in Basel, als Bohrungen ebenfalls ein leichtes Erdbeben auslösten. Die Erschütterungen der Erde waren zwar nur leicht, führten aber trotzdem zum Ende der beiden Geothermie-Projekte.

Region Inwil biete gute Voraussetzungen

Diese Zeiten seien vorbei, die Risiken mittlerweile deutlich kleiner. Dieser Überzeugung sind jedenfalls die Verantwortlichen des Zentralschweizer Kraftwerke AG (CKW). Laut einer Medienkonferenz vom Mittwoch soll nun ein neuer Anlauf genommen werden.

Konkret startet die CKW Abklärungen zu einem Geothermie-Projekt in der Region Inwil/Perlen im Kanton Luzern. Gemäss einer vor zwei Jahren durchgeführten Machbarkeitsstudie biete diese Region sehr gute Voraussetzungen für ein Geothermie-Projekt.

Neue Bohrtechnik sicherer

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Gemäss CKW hat die Bohrtechnik in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Konkret wurde bei frühen Erdwärme-Projekte (in Basel und St. Gallen) in Bruch- und Störzonen im Erdinnern gebohrt. Dort zirkuliere viel heisses Wasser, diese Zonen stünden aber oft auch unter Spannung. Sie bergen das Risiko von Erderschütterungen.

Mittlerweile sei die Bohrtechnik feiner und die Früherkennung von seismischen Aktivitäten stark weiterentwickelt. «Dank dieser neu erprobten Technologien werden keine von Menschen spürbare Erdbewegungen ausgelöst», schreibt die CKW in der Medienmitteilung. Zudem gelte der Raum Inwil als Gebiet mit einem tiefen seismischen Risiko.

Konkret soll beim Inwiler Projekt heisses Wasser aus einer Bohrtiefe von rund 4000 bis 4500 Metern genutzt werden. In dieser Tiefe hat das Wasser eine Temperatur von rund 140 Grad Celsius. So habe das Geothermie-Projekt ein Potenzial, um Strom für etwa 6500 Haushalte produzieren zu können.

«Die Technologien sind vorhanden, wir wollen in die Versorgungssicherheit investieren und den Ausbau vorantreiben», sagt Martin Schwab, CEO von CKW.

Die Schweiz ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien nicht auf Kurs.
Autor: Martin Schwab CEO Zentralschweizer Kraftwerke (CKW)

Die CKW argumentiert mit dem steigenden Strombedarf. Ohne einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien steure die Schweiz auf eine Stromlücke im Winter zu. Vorteil der Geothermie sei, dass sie rund um die Uhr Strom und Wärme liefern könne. Sogenannte Bandenergie, die unabhängig von Wetter und Tageszeit gewonnen werden könne.

«Die Schweiz ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien nicht auf Kurs», sagt Martin Schwab. Das Nutzen der Erdwärme sei deshalb für die Versorgungssicherheit sehr wichtig. «In Deutschland und Frankreich wird diese Energiequelle bereits im grossen Stil genutzt», so Schwab. «Wir müssen auch in der Schweiz Geothermie-Projekte realisieren können.»

Bereits mehr Erfahrungen in Deutschland

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Roland Wyss ist Experte und Berater in Sachen Geologie. Auf Anfrage von SRF News zeigt er sich grundsätzlich von der Geothermie überzeugt: «Zum Quartiere beheizen ist das eine gute Möglichkeit.» Erdbeben befürchtet er nicht: «Technisch gesehen verstehe ich den Widerstand nicht. Grosse Erschütterungen kann man praktisch ausschliessen.» Ein Fragezeichen setzt der Geologe aber bei der Wirtschaftlichkeit. Geothermie sei sehr aufwändig und brauche grosse Vorinvestitionen. «Man muss schon sehr viel Wasser finden in der Tiefe, um so ein Projekt wirtschaftlich betreiben zu können.»  

Im Raum München habe man vergleichbare Projekte sehr erfolgreich gemacht. «In München hat man aber, bevor man auf Geothermie-Suche ging, viele Öl- und Gasbohrungen gemacht. So kannte man den Untergrund besser, als hier bei uns.»

Grafik zeigt, wie Geothermie funktioniert
Legende: In Inwil soll bis in eine Tiefe von zirka 4000 Metern gebohrt werden. Wie die Visualisierung der CKW zeigt, erhofft man sich dort heisse Wasserquellen. ZVG/CKW

In der Schweiz produziert aktuell noch keine Geothermie-Anlage Strom, obwohl einige Abklärungen im Gang sind. Am weitesten fortgeschritten ist das Geothermie-Projekt in Haute-Sorne im Kanton Jura. Ziel dieses Projekts ist es, Strom für rund 6000 Haushalte zu produzieren. Dafür soll rund fünf Kilometer in die Tiefe gebohrt werden. Die Gesteinsschichten sind in dieser Tiefe deutlich wärmer. Im Jura führen die Arbeiten aber auch zu Protesten aus der Bevölkerung (siehe Box).

Proteste gegen Geothermie im Jura

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Im jurassischen Hauptort Delsberg haben rund 1000 Personen gegen ein Geothermie-Projekt demonstriert. Sie forderten den sofortigen Stopp des in Haute-Sorne. Aufgerufen zur Demonstration hatte die Vereinigung «Citoyens responsables du Jura». Das Projekt bringe Gefahren für die Bevölkerung und schade der Gesundheit, so ihre Meinung. «Wir wollen der Regierung zeigen, dass das Volk immer mehr gegen dieses Projekt ist und dass es angehört werden muss», sagte der Präsident der Vereinigung, Jack Aubry.

Gemäss Cédric Höllmüller von «Geothermie-Schweiz» ist das Projekt im Jura nur bedingt vergleichbar mit jenem in Luzern. «In Luzern wird nach bestehendem heissen Wasser gebohrt (hydrothermales Geothermie-Projekt). Im Jura handelt es sich um ein petrothermales Geothermie-Projekt.» Bei diesem werde künstlich ein Reservoir geschaffen, in dem kaltes Wasser zirkulieren und sich erwärmen kann.

Bevölkerung wird informiert

Im Kanton Luzern investiert die CKW rund 70 Millionen Franken in das neue Projekt. Sie geht von einer Planungs-, Bewilligungs- und Realisierungsphase von etwa sechs Jahren aus. Der erste Schritt ist eine Information der Bevölkerung in einem Monat.

SRF1 HeuteMorgen, 26.09.2023, 08:00 Uhr ; 

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