Jahrzehntelang war es in vielen Haushalten üblich: Der Geschirrspüler oder die Waschmaschine wird erst um 21 oder 22 Uhr gestartet, damit man vom günstigen Niedertarif profitieren kann. In einer bestimmten Zeitspanne von abends bis am frühen Morgen verlangen die Stromanbieter weniger hohe Preise für den Strom als am Tag. Bei der Regio Energie Solothurn beispielsweise beträgt der Unterschied 6.5 Rappen pro Kilowattstunde.
Nicht kochen und waschen gleichzeitig
Das Modell der Hoch- und Niedertarife wurde in der Schweiz in den 1960er-Jahren eingeführt, nachdem die grossen Fluss- und Atomkraftwerke ans Netz gegangen waren. Diese liefern Bandenergie – gleichmässig Strom, Tag und Nacht.
«Man wollte Anreize schaffen, dass auch der Verbrauch auf diese Produktion ausgerichtet wird. Der Verbrauch sollte vom Tag in die Nacht verlegt werden», erklärt Christoph Fischer, Netzleiter der AEW Energie AG.
Wenn am Mittag alle kochen, um Punkt 12 warm essen zu können, nimmt der Stromverbrauch schlagartig zu. Es entstehen Stromspitzen, die man mit dem Angebot des Niedertarifs abfedern wollte – damit dann nicht auch noch die Waschmaschinen laufen.
Verbrauch in der Nacht nicht mehr gewünscht
Nach 60 Jahren zeichnet sich nun aber das Ende des bisherigen Tarifmodells ab. Immer mehr Stromanbieter schaffen die Niedertarife ab und bieten nur noch einen Einheitstarif an. Wie andere Anbieter tut dies die Aargauer AEW auf den 1. Januar 2026. Andere haben bereits gewechselt, etwa die grosse Berner Energieversorgerin BKW.
Der Grund für den Einheitstarif sind neue Technologien. Mit dem Aufschwung der Photovoltaik hat sich die Stromproduktion verändert. Fixe Hoch- und Niedertarife seien nicht mehr zeitgemäss, findet Christoph Fischer. «Heute haben wir die starke Einspeisung von Photovoltaik über den Tag. Deshalb ist es gar nicht mehr gewünscht, dass die Lasten in die Abend- und Nachtzeiten verlegt werden.»
Waschmaschine soll automatisch starten
Der Einheitstarif ist jedoch nur eine Zwischenlösung, sagen Energieexpertinnen und -experten. Ziel sind dynamische Tarife – also Preise, die bei grossem und kleinem Stromangebot wechseln können. Mit digitaler Steuerung in den Häusern können sich Geräte künftig dann einschalten, wenn es nötig ist. Der Strom soll dann gebraucht werden, wenn viel vorhanden ist.
«Das Ziel ist es, dass die Kundinnen und Kunden ihr Verhalten nach den dynamischen Tarifen richten. Dass sie ihre Geräte dann einschalten, wenn der Tarif tief ist. Es soll ein Anreiz sein», sagt Thomas Marti, Leiter Netze beim Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen.
Es kann also sein, dass der Boiler sich nicht mehr nachts einschaltet, sondern mittags, wenn die Sonne scheint. Dann also, wenn viel Solarstrom ins Netz eingespeist wird und der Preis in diesem Moment somit tief ist.
Bis Ende 2027 müssen gemäss Stromversorgungsgesetz in 80 Prozent der Schweizer Haushalte intelligente Stromzähler (Smart Meter) eingebaut werden. Diese bilden die Grundlage für sogenannte Smart Grids. Die intelligenten Stromnetze ermöglichen eine flexible und automatisierte Steuerung der Geräte im Haushalt. Wann dies genau sein wird, kann aber auch Netzexperte Marti nicht abschätzen. Die Idee kommt langsam ins Rollen, es ist allerdings noch unklar, ab wann die Haussteuerung die Waschmaschine zum preisgünstigsten Zeitpunkt selbständig einschalten kann.