Die Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt sei so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr. Insbesondere in Nordamerika, Ozeanien und Westeuropa seien mehr rechtsextreme Angriffe zu beobachten, sagt ein Bericht, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die rechtsextreme Szene ist auch in der Schweiz aktiv, sagt Rechtsextremismusforscher Damir Skenderovic.
SRF News: Überrascht Sie der Bericht zur Gefahr des Rechtsextremismus?
Damir Skenderovic: Nein, der Bericht überrascht mich überhaupt nicht. Wenn wir die Berichterstattung über rechte Gewalttaten betrachten, sehen wir, dass es mehr davon gegeben hat. Auch die sozialen Medien bieten inzwischen rechtsextremen Gruppierungen und Akteuren Möglichkeiten, um gewissermassen eine globale Community zu bilden.
Dieser Bericht beschreibt die globale Situation. Was bedeutet das für die Schweiz?
Die Schweiz ist in Bezug auf Rechtsextremismus keine Insel. Auch historisch gesehen war die Schweiz immer vernetzt mit dem internationalen Rechtsextremismus. Die ganze kommunikative und mediale Präsenz des Rechtsextremismus betrifft auch die Schweiz.
Ist die rechtsextreme Szene in der Schweiz in den letzten Jahren mehr a n die Öffentlichkeit getreten?
Ich rede hier eher von einer semi-öffentlichen Präsenz der extremen Rechten in der Schweiz. Es gab in der Vergangenheit verschiedene Phasen, in denen die rechtsextremen Gruppen durchaus die breite Öffentlichkeit suchten, mit Auftritten und Demonstrationen. Ich erinnere an die Aufmärsche anfangs der Neunziger- und in den 2000er-Jahren auf dem Rütli.
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass [die extreme Rechte] sich in die sozialen Medien zurückzieht und dort halböffentliche Auftritte hat.
In den letzten Jahren ist einerseits zu beobachten, dass man sich in die sozialen Medien zurückzieht und dort halböffentliche Auftritte hat. Andererseits gibt es trotzdem immer wieder Momente, in denen die Szene mit Konzerten und Aufmärschen in Erscheinung tritt. Vor ein paar Jahren hat eines der grössten rechtsextremen Konzerte in Europa im Toggenburg stattgefunden. Dort kam die europäische Vernetzung zum Ausdruck, weil viele Personen aus anderen Ländern in die Schweiz kamen.
Das heisst, die rechtsextreme Szene ist gegen innen gut vernetzt. Gelingt ihr, damit an die Öffentlichkeit zu treten?
Es ist eine Frage der Strategie, ob man öffentliche Präsenz markieren will. Vor allem in den USA haben gewisse Gruppierungen in den letzten Jahren gewissermassen ein neues Selbstbewusstsein an den Tag gelegt. Sie haben die Öffentlichkeit gesucht, es war auch ein Präsident im Amt, der seine Sympathie und Unterstützung gegenüber diesen Gruppen gezeigt hat. In der Schweiz ist man da noch zurückhaltender. Wie lange das andauern wird, ist die Frage.
Trotzdem: Auch in der Schweiz gehen regelmässig Menschen mit offener rechtsextremer Gesinnung auf die Strasse, etwa im Zusammenhang mit Corona-Skeptikern. Welche Gefahr geht von ihnen für die Gesellschaft aus?
Angesichts der Krise und der Mobilisierung von Corona-Skeptikern bis Corona-Leugnern manifestieren sich die Rechtsextremen auch in der Schweiz. In Deutschland gab es einzelne Demonstrationen, an denen die rechtsextreme Szene sehr präsent war. In der Schweiz hingegen sind es einzelne Akteure, die wir an diesen Manifestationen sehen. Ich würde das nicht überbewerten. Gleichzeitig aber weise ich darauf hin, dass in Krisenzeiten rechtsextreme Gruppierungen mehr Zulauf haben, weil Menschen dort eine Community von Gleichgesinnten finden, um in krisenhaften Zeiten Orientierung zu haben.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.