Zum Inhalt springen

Tatort Klassenzimmer Lehrerinnen und Lehrer werden häufig Opfer von verbaler Gewalt

  • Zwei von drei Lehrpersonen haben in den vergangenen fünf Jahren Gewalt erlebt. Dies zeigt eine neue Studie des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.
  • Am häufigsten handelt es sich um psychische Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder Einschüchterungen.
  • Extreme Gewalt wie Körperverletzungen sind sehr selten.
  • In den meisten Fällen geht die Gewalt von den Eltern aus. Druck kommt aber auch von Schülerinnen und Schülern.

«Wenn das noch einmal vorkommt, müssen Sie aufpassen!», schreibt ein Vater als Feedback auf eine Benotung des Sohns. «F*** dich», brüllt ein verhaltensauffälliger Schüler auf die Aufforderung, er soll sich bitte hinsetzen. Solche und andere Beleidigungen stellen die häufigste Form von Gewalt im Alltag von Lehrerinnen und Lehrern dar. Sie werden beschimpft, beleidigt und bedroht.

Zur Studie

Box aufklappen Box zuklappen

Die Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage unter Lehrpersonen aller Stufen der Deutschschweiz im Jahr 2022. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH wollte damit in Erfahrung bringen, wie viele Lehrpersonen in ihrem Alltag Gewalt erleben. An der Studie haben 6800 Personen teilgenommen. Es ist das erste Mal, dass eine solche Studie in der Deutschschweiz gemacht wurde.

Rund die Hälfte der befragten Lehrpersonen gibt an, dass sie in den letzten fünf Jahren mindestens einen solchen Vorfall erlebt haben. Auch physische Gewalt kommt vor, wenn auch seltener. Häufig sind die Täterinnen und Täter verhaltensauffällige und jüngere Kinder. Sie schlagen zu, treten oder spucken. Noch seltener geht Gewalt von Kolleginnen oder von der Schulleitung aus.

«Für die Lehrerinnen und Lehrer ist das eine enorme emotionale Belastung», fasst Studienleiterin Martina Brägger zusammen. Die Belastung bleibt nicht folgenlos: Betroffene werden häufiger krank, manche müssen sich eine Auszeit nehmen, sie wechseln die Stelle oder geben den Beruf ganz auf.

Sechs Forderungen für mehr Respekt

Extreme Gewalt in Form von Körperverletzung haben unter ein Prozent der Lehrerinnen und Lehrer in den letzten fünf Jahren erfahren. «Amerikanische Verhältnisse punkto Gewalt gegen Lehrpersonen gibt es hierzulande nicht», hält Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbands, fest.

Jede Lehrerin, jeder Lehrer hat es verdient, mit Respekt behandelt zu werden.
Autor: Dagmar Rösler Zentralpräsidentin Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz

Dennoch gebe es auch in der Schweiz Handlungsbedarf. «Wir müssen genau hinschauen. Es braucht eine Art Codex, der ganz klarmacht, wo eine rote Linie überschritten wird.» Der Verband präsentiert deshalb sechs Forderungen, die Lehrerinnen und Lehrer besser vor Gewalt schützen sollen.

Die sechs Forderungen

Box aufklappen Box zuklappen
  1. Eine unabhängige Ombudsstelle soll Lehrpersonen in rechtlichen Fragen unterstützen.
  2. Alle Schulen sollen wissen, wie mit Gewalt umzugehen ist und ein entsprechendes Konzept haben.
  3. Die Schulleitungen sollen Gewalterfahrungen von Lehrpersonen anerkennen und sie rasch und unbürokratisch unterstützen.
  4. An den Schulen soll eine gewaltfreie Struktur etabliert werden. Dabei sollen auch die Eltern einbezogen werden.
  5. Das Thema Gewalt soll in der Ausbildung Thema sein.
  6. Gewaltvorfälle sollen systematisch erfasst werden.

«Wir wollen die Situation weder bagatellisieren noch dramatisieren», hält Dagmar Rösler fest. Lehrpersonen sollen ernst genommen werden. Und sie schliesst: «Jede Lehrperson hat es verdient, mit Respekt behandelt zu werden.» In fünf Jahren soll die Studie wiederholt werden. Um dann vergleichen zu können, ob es mehr oder weniger Fälle gibt von Gewalt gegen Lehrpersonen.

Rendez-vous, 16.01.2023, 12:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel