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Teilprivatisierung der Ruag «Damit würden Munitionslieferungen in die Türkei möglich»

Die Ruag geriet in den letzten Jahren wiederholt in die Schlagzeilen: Wegen eines grossen Cyberangriffs, wegen Berichten über zu hohe Renditen für den Unterhalt von Kampfjets und wegen umstrittener Geschäfte im Ausland. Nun spaltet der Bundesrat den bundeseigenen Technologiekonzern auf und privatisiert Teile davon. SRF-Redaktor Dominik Meier über die möglichen Folgen.

SRF News: Der Bundesrat plant die Privatisierung eines Teils der Ruag. Das weckt Befürchtungen bei den betroffenen Angestellten. Zu recht?

Dominik Meier: Darauf gibt es keine klare Antwort. Hat dieser neue private Luft- und Raumfahrtkonzern die nötige Grösse, um global bestehen zu können? Verpflichtet sich im Falle des Verkaufs der Munitionsproduktion tatsächlich eine Käuferin, den Standort Thun über Jahre beizubehalten?

Werden die Unterhaltsarbeiten ausreichen, um schweizweit 2500 Mitarbeiter zu beschäftigen?

Sehr entscheidend ist auch die Frage, welche und wie viele Waffensysteme, Kampfjets und Panzer die Schweizer Armee künftig beschafft, und wie viele Unterhaltsarbeiten das auslöst. Wird das ausreichen, um im verbleibenden, staatlichen Teil der Ruag schweizweit 2500 Mitarbeiter zu beschäftigen?

Wie kommen die Pläne des Bundesrats im Parlament an?

Zufrieden ist die politische Mitte. Skeptische Stimmen gibt es aber links und rechts. Die SVP möchte die Munitionsfabriken aus Gründen der Landesverteidigung im Staatsbesitz behalten. Kritik von links am Vorgehen gibt es aufgrund einer anderen Befürchtung; nämlich, dass die Käuferin dieser Fabriken ihre Munition künftig in heiklere Länder als heute liefern könnte.

Auch die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) befürchtet Munitionslieferungen in Krisenländer. Was ist da dran?

Die Regeln für Waffen- oder eben Munitionslieferungen ändern sich bei einem Verkauf tatsächlich, aber nur für Ruag-Standorte im Ausland. Heute muss sich die Ruag auch im Ausland an die vergleichsweise strengen Schweizer Exportregeln halten, auch wenn die Fabrik im Ausland steht.

Die Käufer müssten dann für Lieferungen ab Fabriken im Ausland nur noch die dortigen Gesetze beachten.

So schreibt es der Bundesrat vor. Sobald nun die betreffenden Ruag-Teile privatisiert sind, gilt das nicht mehr. Die Käufer oder Investoren müssten dann für Lieferungen ab Fabriken im Ausland nur noch die dortigen Gesetze beachten. So würden zum Beispiel Munitionslieferungen an Nato-Länder wie die Türkei ab einer Ruag-Fabrik in Deutschland theoretisch möglich. Heute darf die Ruag nicht in die Türkei liefern. So will es der Bundesrat.

Der Erlös aus dem Verkauf geht an den verbleibenden Ruag-Konzern. Heisst das, das Gel d kommt einer privaten Firma zugute?

Ja. Die Verkäufe sollen rund eine halbe Milliarde einbringen. Dieses Geld will der Bundesrat primär in die verbleibende Ruag investieren – in den Luft- und Raumfahrtkonzern also. Der Bundesrat pokert hier: Er wettet darauf, dass die Ruag damit fitter wird für den Börsengang, und dass dieser dann mehr Geld einspielt – zugunsten der Bundeskasse. 100-prozentig wohl ist es ihm aber nicht mit dieser Strategie. Er behält sich vor, das Luft- und Raumfahrtgeschäft ohne Börsengang zu verkaufen, so wie er es mit dem Munitionsbereich plant.

Ist der Entscheid schon definitiv oder kann das Parlament noch mitreden?

Der Bundesrat kann bei der Ruag in eigener Kompetenz entscheiden. Das Parlament kann ihn aber mit Vorstössen bremsen. Von SVP-Vertretern habe ich gehört, man behalte sich das vor. Aber von einem geeinten, breiten und vor allem auch inhaltlich einigen Widerstand aus dem Parlament würde ich nach ersten Gesprächen heute in der Wandelhalle aber noch nicht reden.

Das Gespräch führten Isabelle Maissen und Nicoletta Cimmino.

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