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Satanismus-Theorien an Berner Kliniken
Aus Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom 18.05.2022. Bild: Keystone
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Teufel kontrolliere Gedanken An Berner Kliniken wird mit Verschwörungstheorie therapiert

Laut einer Verschwörungstheorie werden Frauen von satanistischen Tätern gesteuert und missbraucht. Auch in Bern.

Rituelle Gewalt und Gedankenprogrammierung ist eine umstrittene Theorie, an die einige Psychologinnen oder Psychiater glauben. Der Grund für die psychische Krankheit ihrer Patientinnen – oft betrifft es Frauen – ist für sie klar: Die Gedanken der Frauen werden bewusst gesteuert und programmiert.

Männer würden mich dazu bringen, Dinge zu tun, an die ich mich nicht mehr erinnern kann.
Autor: Patientin

Sie sind überzeugt, dass die Frauen als Kind sexuell schwer missbraucht wurden, was ihre Persönlichkeit gespalten habe. Da kommt die Idee der Gedankenprogrammierung ins Spiel: Die Täter könnten die Gedanken durch die Programmierung fernsteuern. Dank dieser Kontrolle könnten sie die Frauen nach ihrem Belieben einsetzen – als Prostituierte oder Drogenkurierinnen.

«Die Therapeutin sagte mir, ich sei von meinem Vater missbraucht und als Baby für sexuelle Zwecke und Folter verkauft worden», erzählt eine Patientin, die wegen der Folgen dieser angeblichen rituellen Gewalt behandelt wurde.

Die Therapeuten glauben auch, die Frauen seien von den Tätern dazu gebracht worden, satanistische Rituale durchzuführen – etwa Blut zu trinken. Es gebe einen ganzen Täterring.

Frau beim Psychologen
Legende: Einige Therapeutinnen und Therapeuten behandeln Frauen wegen Folgen ritueller Gewalt. Keystone

Das Problem: Es gibt keine Beweise, dass die betroffenen Frauen tatsächlich durch satanistische Täter missbraucht oder zur Prostitution gezwungen wurden. Die Frauen erinnern sich selbst nicht daran, dass dies passiert sein soll.

Wie dieser Gedanke eingepflanzt wird

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Die Patientinnen, die wegen ritueller Gewalt behandelt werden, sind in den meisten Fällen stark psychisch krank und suchten verzweifelt nach Antworten, sagt Thomas Ihde von der Stiftung Pro Mente Sana. «Behandlerinnen und Behandler finden dann Antworten in dieser Verschwörungstheorie. Damit entsteht ein Konstrukt, das im Interesse aller Beteiligten scheint.» Weil man nun der Ursprung für die Probleme gefunden habe und daran arbeiten könne.

Danach entstehe eine Wechselwirkung. «Patienten merken, wie sie immer wieder zu gewissen Themen befragt werden und für gewisse Antworten belohnt werden.» So seien sie plötzlich gefangen in dieser Geschichte, so Ihde. «Sie wissen dann nicht mehr, wie sie da wieder rauskommen, weil sie dabei auch ihre Eltern beschuldigt haben, sie hätten sie etwa gezwungen, andere Kleinkinder zu töten.» Und so würden die Patientinnen immer tiefer in dieser Geschichte stecken.

Für die betroffene Patientin ist klar: Die Geschichte entstand in der Therapie. Die Therapeutin habe ihr immer wieder gesagt, sie müsse verdrängte Erinnerungen hervorholen. «Ich habe erst vor einigen Monaten realisiert, dass die Geschichte gar nicht stimmt. Weil ich psychisch instabil bin, war ich wohl empfänglich dafür.»

Von Deutschland in die Schweiz

Dass solche umstrittenen Satanismus-Theorien in Deutschland Eingang in die Therapie gefunden haben, ist bekannt. Recherchen der SRF-Sendung «Rec.» zeigten, dass es auch in der Schweiz ein ganzes Netzwerk gibt, das von dieser Verschwörungserzählung überzeugt ist.

Die Theorie ist auch an Berner Kliniken verbreitet, zeigen Recherchen des Regionaljournals Bern. Betroffen ist die Privatklinik Meiringen. Der ärztliche Direktor Thomas Müller bestätigt, dass Fachleute in seiner Klinik Patientinnen wegen Folgen ritueller Gewalt behandelt haben. Die Klinikleitung habe das Problem erkannt und gehandelt. Seit zwei Jahren würden keine solchen Behandlungen mehr durchgeführt.

Weiterhin angewendet wird diese Theorie aber am Psychiatriezentrum Münsingen, bestätigen mehrere Mitarbeitende sowie Patientinnen und diverse Akten. Das PZM schreibt, man untersuche seit März entsprechende Therapien und habe bereits Massnahmen zur Qualitätssicherung eingeleitet.

Die Stellungnahme des PZM

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Legende: Das Psychiatriezentrum Münsingen PZM Keystone

Das Psychiatriezentrum Münsingen PZM wollte nur schriftlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen und schreibt auf Anfrage:

«Als psychiatrische Klinik haben wir immer wieder mit schweren Traumatisierungen zu tun, deren Ursachen oft unklar bleiben. Die Behandlung von Trauma-Patient:innen gehört zu unserem Alltag und zu unserem Auftrag. Dementsprechend gehört es auch zu unseren Aufgaben, uns mit den in der Fachwelt kontrovers diskutierten Themen der Traumatherapie – wie der dissoziativen Identitätsstörung und der rituellen Gewalt – auseinanderzusetzen. Wir tun dies evidenzbasiert und positionieren uns hier nach Best Practice.
 
Das PZM widmet dem Thema besondere Aufmerksamkeit: Wir untersuchen seit März vertieft die Diagnostik und Therapie von Trauma-Patient:innen. Entsprechende Massnahmen der fachlichen Qualitätssicherung haben wir bereits umgesetzt.»

Die Theorie rituelle Gewalt/mind Control ist in der Fachwelt höchst umstritten. Thomas Ihde, Präsident der Stiftung Pro Mente Sana: «Wir haben keinerlei Hinweise, dass es dies gibt.» Die Therapeutinnen und Therapeuten würden ihren Patientinnen helfen wollen, «sie sind aber felsenfest davon überzeugt und geraten in einen Aktionismus». Denn für sie sei es keine Verschwörungstheorie, sondern eine Verschwörungsgewissheit.

Für sie ist es eine Verschwörungsgewissheit.
Autor: Thomas Ihde Präsident Pro Mente Sana

Sie würden die Patientinnen teilweise unterstützen, Anzeige gegen mutmassliche Täter zu erstatten. Es würden auch Strafuntersuchungen durchgeführt. Ein Ermittlungserfolg, dass solche Täterkreise existieren, ist bisher nicht bekannt.

«Eine solche Theorie richtet einen grossen Schaden bei den Angehörigen an», sagt Ihde. Oftmals würden Väter beschuldigt, ihre Tochter massiv sexuell missbraucht zu haben und Teil eines satanistischen Netzwerks zu sein.

Kanton Bern lässt Vorgänge untersuchen

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Rund um das Psychiatriezentrum Münsingen wurden in den letzten Wochen weitere Vorwürfe erhoben. Wie Recherchen des Regionaljournals Bern zeigten, sollen im PZM systematisch Zwangsmassnahmen angeordnet worden sein.

Nun reagiert der Kanton Bern. Er hat Thomas Maier, ärztlicher Direktor der Psychiatrie St. Gallen Nord beauftragt, die Vorgänge im PZM zu untersuchen.

«Ziel der Untersuchung ist es, umfassend zu prüfen, ob der in den Medien gemachte Vorhalt, wonach es im PZM aus Personalmangel zu einem Anstieg an «freiheitsbeschränkenden Massnahmen» (Isolation, Fixierung) gekommen sein soll, zutrifft», heisst es in einer Mitteilung vom Dienstag. Es gehe dabei auch um die Beschäftigung von Personen aus dem Umfeld der Kirchblütengemeinschaft.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17.05.2022 06:31 Uhr

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