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Das Ende der Credit Suisse: Donnerstag, 16. März 2023
Aus News Plus Hintergründe vom 12.03.2024. Bild: Keystone
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Übernahme der Credit Suisse Keller-Sutter: «Da realisierten wir, dass die CS nicht überlebt»

Am 15. März 2023 lädt Karin Keller-Sutter zur Krisensitzung: Die CS steht vor dem Aus. Vier Tage später verkündet der Bundesrat, dass die CS von der UBS übernommen wird. Die Bundesrätin gibt einen exklusiven Einblick, wie sie die letzten Tage der Traditionsbank persönlich erlebte. Und warum sie den Abwart im Finanzdepartement davon überzeugen musste, die Heizungen aufzudrehen.

Karin Keller-Sutter

Karin Keller-Sutter

Bundesrätin

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Karin Keller-Sutter ist seit dem 1. Januar 2019 Mitglied des Bundesrats und seit 2023 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Die St. Gallerin wurde 1963 geboren, ist ausgebildete Dolmetscherin und Mittelschullehrerin. Bis 2000 arbeitete sie als selbständige Übersetzerin und Lehrbeauftragte einer Berufsschule. Von 2000 bis 2012 war die FDP-Politikerin Regierungsrätin des Kantons St. Gallen. Von 2011 bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat war Keller-Sutter im Ständerat.

SRF News: Frau Bundesrätin, wenn Sie an die intensiven Tage im März 2023 zurückdenken, was waren die prägendsten Momente?

Karin Keller-Sutter: Der Beginn war sehr prägend. Das oberste Ziel war es natürlich, eine Lösung zu finden. Aber das Etappenziel war, die Credit Suisse über den Freitag hinaus zu bringen. Am Mittwoch war noch nicht klar, ob es die Bank überhaupt ins Wochenende schaffen würde. Ich kann mich erinnern, dass ich schon sehr froh war, als die Börsen am Freitagabend geschlossen hatten. Dann war das nächste Ziel natürlich, eine Lösung vor Börseneröffnung am Montag zu haben.

Im Finanzdepartement herrschte Ausnahmezustand. Wie kann man sich das vorstellen?

In den Räumen des Bernerhofs, welche sonst für Sitzungen oder Bankette benutzt werden, waren überall Leute am Arbeiten. Von der Finma, der Nationalbank, vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen, dem Bundesamt für Justiz, der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Überall lagen Pizzaschachteln, weil die Leute sich irgendwann auch einmal verpflegen mussten.

Ich hatte den Eindruck, die Welt hielt den Atem an, bis wir eine Lösung hatten.

Das war ja noch in der Zeit der drohenden Energiemangellage. Ich kann mich erinnern, dass man über Nacht die Heizung ganz abgeschaltet hat, das war für die Leute unerträglich. In Daunenjacken und Militärdecken arbeiteten sie an den Problemen. Ich ordnete dann an, dass die Heizung wieder eingeschaltet wird. Der Abwart sagte damals: Das braucht einen Bundesratsentscheid. Da erwiderte ich: «Gut, wenn es nur das ist, das kann ich gut entscheiden.»

Wenn wir uns den 15. März noch mal vor Augen führen, da gab es ein Treffen mit der UBS-Spitze bei der Finma in Zürich. Was war Ihnen an diesem Tag besonders wichtig?

Das war der Tag, an dem wir alle realisierten, dass die Credit Suisse nicht überleben wird. Die Credit Suisse hatte Liquidität bei der Nationalbank beantragt und die Kapitalabflüsse waren enorm in diesen Tagen. Wenn ich mich recht erinnere, zwischen zehn und etwa 17 Milliarden pro Tag.

Karin Keller-Sutter läuft neben Alain Berset, sie im dunklen Mantel, dahinter Menschen.
Legende: Kurz vor dem Paukenschlag: Bundesrätin Karin Keller-Sutter auf dem Weg zur Pressekonferenz am 19. März 2023. KEYSTONE / Peter Klaunzer

Die Nationalbank, die Finma und das Finanzdepartement hatten zuvor eine Sitzung. Da wurde klar: Wir müssen mit den beiden Banken sprechen. Danach sprachen wir mit der UBS, aber auch mit der Credit Suisse. Auf dem Rückweg von Zürich telefonierte ich mit dem damaligen Bundespräsidenten Alain Berset und verlangte eine ausserordentliche Sitzung für den Donnerstag.

Sie waren in den folgenden Tagen in intensivem Austausch mit ausländischen Finanzministerinnen und Finanzministern. Was wurde dabei besprochen?

Die Sorge war gross. Man darf nicht unterschätzen, wie vernetzt die Finanzplätze heute sind. Wenn so eine Bank untergeht, richtet das auch wirtschaftlichen Schaden an. Es gab eigentlich einen Konsens unter den Finanzministern, dass die Credit Suisse potenziell der erste Dominostein gewesen wäre, der etwas ins Rollen gebracht hätte. Und dass das weltweit hätte Schaden anrichten können. Ich hatte den Eindruck, die Welt hielt den Atem an, bis wir eine Lösung hatten.

Haben Sie sich in diesen Tagen auch mal geärgert?

Ja, manchmal in Gesprächen. Wenn ich fand, dass man vielleicht nicht so einsichtig war, wie man es hätte sein können.

Also die Spitze der Credit Suisse?

Ja, zum Beispiel. Oder dass ich den Eindruck hatte, man wollte lange die Realität nicht sehen. Das ist dann schon relativ schwierig, denn der Bundesrat hat die Verantwortung für das Land und dann sitzt man einem Unternehmen gegenüber, das natürlich auch seine Interessen wahren will.

Bundespräsident Berset und ich informierten die Parteien, damit sie es nicht aus den Medien erfahren.

Aber der Bundesrat muss dafür sorgen, dass das Gesamtinteresse am Schluss durchschlägt und nicht nur das Interesse einer Unternehmensleitung, eines Verwaltungsrates oder der Aktionäre.

Sie haben mehrfach betont, dass Sie in diesen Tagen einfach funktionieren mussten. Gleichzeitig lastete eine grosse Verantwortung auf Ihren Schultern. Wie sind Sie damit umgegangen?

Wenn man führt, braucht man auch mentale Stärke und eine gewisse Gelassenheit. Sie können nicht ihre Leute wahnsinnig machen, indem Sie beispielsweise herumschreien und hysterisch werden. Man muss sich darauf konzentrieren, ein Ergebnis zu erreichen, und das ändern, was man ändern kann. Aber sich aufregen, das bringt nichts.

Können Sie ein Beispiel machen?

Es ging bei der Übernahme auch darum, die Staatsgarantien gegenüber der UBS auszuhandeln. Die ersten Forderungen der UBS waren viel höher. Da habe ich klargestellt: «Nein, das geht nicht. Sagt denen, ich bin nicht einverstanden. Der Bundesrat ist nicht einverstanden.» Danach war ich wieder in der Bundesratssitzung. Dann bekam ich einen Zettel von der Staatssekretärin oder einer Amtsdirektorin mit dem neuesten Stand. Das ging Schlag auf Schlag.

Im Trockenen war der Deal erst kurz vor der Medienkonferenz am Sonntagabend. Wie haben Sie die Augenblicke davor in Erinnerung?

Bundespräsident Alain Berset und ich informierten die Parteien, damit sie es nicht aus den Medien erfahren. Es gab einen Anruf, zu dem alle zugeschaltet waren. Danach kann ich mich erinnern, wie wir uns in der Lobby besammelt haben. Alle Involvierten, auch die Banken, die über Tage gestritten hatten. Da standen wir einfach in der Lobby herum und haben etwas miteinander geredet: «Ja, jetzt ist es so.» Als es dann Zeit war, sind wir hinüber ins Medienzentrum gegangen.

Das Interview wurde von Raphaël Günther für die SRF-Podcastserie «Das Ende der Credit Suisse» mündlich geführt. 

SRF-Podcastserie «Das Ende der Credit Suisse»

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Legende: «News Plus Hintergründe» widmet sich in fünf Folgen dem Ende der Credit Suisse. SRF

Die SRF-Podcastserie «Das Ende der Credit Suisse» beleuchtet, was bei der Übernahme durch die UBS hinter den Kulissen geschah: Krisensitzungen mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter, herumliegende Pizzaschachteln im Finanzdepartement und die Gefühlsachterbahn von CS-Mitarbeitenden.

Die fünfteilige Serie von «News Plus Hintergründe» erscheint vom Montag, 11. bis Freitag, 15. März 2024 täglich auf srf.ch/audio, im SRF-Podcastfeed «News Plus Hintergründe» sowie auf den gängigen Podcastplattformen.

Echo der Zeit, 12.03.2024 18 Uhr ;

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