Während einer dringlichen Debatte zum Krieg in der Ukraine haben die Fraktionen im Nationalrat skizziert, welche Lehren die Schweiz aus der Krise ziehen soll. Beschlüsse gab es in der rund dreistündigen Debatte nicht. Die Landesregierung unterstrich den Stellenwert des Themas, indem sie vier Mitglieder in den Nationalratssaal schickte.
Neben teils emotionalen, stets unterstützenden Worten an die Adresse der ukrainischen Bevölkerung stellten die Rednerinnen und Redner verschiedene Forderungen auf. So ging es unter anderem um eine Aufstockung der Mittel für die Armee, Änderungen bei der Sanktionspolitik und mehr Hilfe für Geflüchtete.
Ausbau der humanitären Hilfe
Die SP forderte etwa, dass die Schweiz weitere EU-Sanktionen in Zukunft rasch und umfassend umsetzen solle, wie Claudia Friedl (SP/SG) sagte.
Zudem müssten eingefrorene Vermögenswerte von Mitgliedern des russischen Regimes beschlagnahmt werden. Weiter soll aus Sicht der SP die humanitäre Hilfe zugunsten der Kriegsbetroffenen ausgebaut werden.
Die Grünen stellten die Abhängigkeit der Schweiz von russischem Gas ins Zentrum ihrer Voten. Aline Trede (Grüne/BE) plädierte für einen schnellen, ökologischen Ersatz aller heute betriebenen 180'000 Gasheizungen. Weitere Grüne forderten, dass die Schweiz ihre Grenzen für Flüchtlinge weiterhin offenhalten solle.
Mehr Geld für die Armee
Die Grünliberalen standen für eine Stärkung der europäischen Zusammenarbeit ein. Zwar sei ein Nato-Beitritt der Schweiz nicht mit der Neutralität vereinbar, sagte Roland Fischer (GLP/LU). Es brauche aber eine vermehrte Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und der EU.
Auch für die Mitte-Fraktion braucht es eine verstärkte Zusammenarbeit mit europäischen Ländern, wie Ida Glanzmann-Hunkeler (Mitte/LU) festhielt – dies jedoch immer mit Blick auf die Neutralität. Es stelle sich auch die Frage, ob die Schweizer Armee noch genug gut ausgerüstet sei.
Für die SVP ist die Antwort auf diese Frage klar: Es braucht mehr Mittel. Jean-Luc Addor (SVP/VS) forderte Armeeausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), wie dies in anderen europäischen Ländern angestrebt wird. Heute sind es in der Schweiz 0.7 Prozent des BIP. Es bräuchte aus Sicht der SVP also rund zwei Milliarden Franken mehr pro Jahr für die Verteidigung.
Unterstützung erhält sie von der FDP. Maja Riniker (FDP/AG) plädierte dafür, den Armeebestand um 20'000 Personen auf 120'000 Frauen und Männer zu erhöhen. Europa befinde sich an einem «Wendepunkt in der Sicherheitspolitik».
Die meisten Fraktionen hielten sich mit Kritik am Bundesrat zurück. Zwar monierten einige, dass die Regierung zu Beginn des Krieges überrascht worden sei, zu zögerlich gehandelt und die EU-Sanktionen erst unter grossem Druck vollumfänglich übernommen habe. Insgesamt habe der Bundesrat aber angemessen reagiert.
Bundespräsident Ignazio Cassis sprach von der «schwersten Sicherheitskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg». Die humanitäre Situation in der Ukraine sei katastrophal.
«Das russische Vorgehen wird immer rücksichtsloser», hielt Verteidigungsministerin Viola Amherd fest. Der Bund habe das Kriegsszenario jedoch nicht unterschätzt. «Die Armee ist auf Kurs und richtig aufgestellt.»
Schliesslich untermauerte Umweltministerin Simonetta Sommaruga die Ziele des Bundesrats bezüglich Energiesicherheit: «Wir müssen die Abhängigkeit von Öl und Gas verringern, die erneuerbaren Energien mit mehr Tempo ausbauen sowie die Energieverschwendung stoppen.»