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Umsetzung der Pflegeinitiative In der Pflege sind neue Perspektiven gefragt

Ob in Kliniken, in Alters- und Pflegeheimen oder bei der Spitex: Pflegefachleute sind gefragt und rar, denn rund 40 Prozent von ihnen kehren dem Beruf früher oder später den Rücken. Während und vor allem nach der Corona-Pandemie hat sich die Situation noch zugespitzt. Pflegeteams waren erschöpft, Krankheitsfälle dünnten die Teams aus. Wer noch da war, übernahm zusätzliche Arbeitslast; hängte nach der Schicht noch weitere Stunden an, kam nicht zur nötigen Auszeit.

Die Stimmbevölkerung entschied im November 2021: So konnte es nicht weiter gehen, sie nahm die Pflegeinitiative klar an. Die Botschaft: Es braucht mehr Menschen in Pflegeberufen und damit diese bleiben, müssen sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Der Pflegebedarf wird noch zunehmen.

Umsetzung der Pflegeinitiative in zwei Schritten

Rasch war klar: Die Umsetzung wird zweistufig erfolgen. Denn eine Ausbildungsoffensive hatten Bundesrat und Parlament bereits angedacht – im Sinne einer Alternative zur Initiative.

Schwieriger würde es mit den verbesserten Arbeitsbedingungen werden, das zeichnete sich schon damals ab. Das sei die Aufgabe der Kantone, die für die Gesundheitsversorgung und für die ausreichende Ausbildung von Gesundheitsfachleuten zuständig sind – zusammen mit den Sozialpartnern. 

Ein neues Gesetz – mit Perspektiven

Nun zeigt sich: Wichtige Forderungen der Initiantinnen und Initianten nimmt der Bundesrat auf – die maximalen und normalen Arbeitszeiten etwa, die Planbarkeit der Dienste und eine Entschädigung für kurzfristige Änderungen. Neue berufliche Perspektiven mit Spezialisierungen und zusätzlichen Kompetenzen.

Der Bundesrat will die Sozialpartner verpflichten, über Verbesserungen zu sprechen und über Gesamtarbeitsverträge zu verhandeln. Hier liegen zwei Varianten vor – eine strikte und eine, die Spielraum lässt. Das heisst: Bundesrat und Verwaltung wollen in den nächsten Wochen den Puls bei Spitälern, Kliniken oder Pflegeheimen nehmen.

Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie kreativ Heime und Kliniken sein können, wenn es darum geht, Arbeitsbedingungen zu verbessern und flexible Lösungen zu finden – zur Überbrückung bis zur Umsetzung der Pflegeinitiative und im Ringen um Pflegefachkräfte.

Erwartbare kritische Reaktionen

Als Prävention gegen Überlastung hat der Berufsverband der Pflegefachleute SBK, der die Initiative lanciert hatte, gefordert, dass es auch verbindliche Vorgaben dazu gibt, wie die Teams zusammengesetzt sind. Neben der Grösse eines Teams geht es auch um Kompetenzen, die je nach Aufgabe der Pflegeteams vorhanden sein müssen, um rasch gute Entscheide treffen zu können für die Patientinnen und Patienten.

Diesen Punkt nimmt die Vorlage zur Enttäuschung des SBK nicht auf – sie delegiert ihn an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.

Alles kostet – wer bezahlt?

Kritische Stimmen gibt es aber auch bei den Arbeitgeberverbänden. Sowohl Spitäler als auch Alters- und Pflegeheime erachten die Vorschläge als ungenügend – vor allem ungenügend finanziert.

Kosten und Finanzen rücken somit auch im Bereich der Pflege in den Fokus. Das zeigt auch: Der Spielraum wird nicht grösser angesichts der Herausforderungen im Gesundheitswesen.

Christine Wanner

Bundeshausredaktorin

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Christine Wanner ist seit 2022 Bundeshausredaktorin. Zuvor hat sie als Inlandredaktorin für Radio SRF gearbeitet. Sie hat an der Universität Bern Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte sowie Medienwissenschaften studiert. Wanner hat sich insbesondere mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Risiken und Gefahren beschäftigt – beispielsweise in der Atomfrage und beim Umgang mit Naturkatastrophen.

Hier finden Sie weitere Artikel von Christine Wanner und Informationen zu ihrer Person.

Echo der Zeit, 08.05.2024, 18 Uhr

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