Ab dem 22. März sollen in der Schweiz einige Lockerungen in der Pandemie möglich gemacht werden, obwohl dies die epidemiologische Lage eigentlich nicht erlaubt. Bundesrat Alain Berset äussert sich zu den Beweggründen der Regierung.
SRF News: Bundesrat Alain Berset, habe ich sich richtig verstanden: Wir müssen uns auf eine dritte Welle einstellen?
Alain Berset: Leider ja. Nicht nur bei uns, auch in anderen Ländern. Es liegt an uns, wie die Welle dann aussieht. Wir können sie mässigen, wenn wir richtig handeln.
Die dritte Welle wird kommen und trotzdem schlagen Sie jetzt Öffnungsschritte vor. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ja, wir gehen ein gewisses Risiko ein. Aber wir glauben, dass es möglich ist, weil wir eine andere Situation haben. Wir haben die Impfung, die entwickelt sich gut …
... aber erst vier Prozent der Bevölkerung sind geimpft!
Ja, aber immer mehr. Das Wetter könnte uns auch helfen. Wir wollen alle eine Rückkehr zur Normalität. Dafür müssen aber alle mitmachen, und wir müssen
uns an die Regeln halten: Abstand, Händewaschen, Maske tragen. Es wird uns helfen, einen Schritt Richtung Öffnung zu tun, trotz der Entwicklung bei den Fallzahlen.
Für mich hört es sich so an: Eigentlich will der Bundesrat nicht öffnen, aber der Druck aus der Bevölkerung und dem Parlament ist so gross, dass wir jetzt Öffnungsschritte anbieten, aber wir hoffen, dass die Kantone in der Konsultation sagen: macht das ja nicht.
Ich erwarte von den Kantonen eher das Gegenteil. Denn am Ende übernimmt immer der Bundesrat die Verantwortung, und das ist nicht immer einfach. Nein, wir zeigen damit eine Perspektive auf, wir sagen, was uns machbar erscheint, wenn es gut läuft und alle mitmachen mit Abstand, Händewaschen und Masken tragen.
Sie wollen private Treffen mit bis zehn Personen wieder zulassen ohne Schutzkonzept, aber die Restaurants dürfen nicht öffnen, obwohl sie Schutzkonzepte haben. Das ist ein Widerspruch!
Die aktuelle Regelung mit fünf Personen für private Treffen ist für Familien eine sehr harte Massnahme. Deshalb wollen wir das lockern. Klar, in der Familie gibt es keine Masken, keinen Abstand, aber man kann sofort sehen, wer mit wem zusammen ist, das sind dann vielleicht zwei Familien, und nicht 10 oder 20. Das macht einen Unterschied.
Matchentscheidend bei Lonza/Moderna ist: Es hätte nichts genützt, um einen besseren Zugang zu Impfstoffen zu bekommen.
Diese Woche haben die Tamedia-Zeitungen geschrieben, die Lonza habe dem Bund im letzten Sommer ein Angebot gemacht, eine staatliche Produktionsstrasse aufzubauen, aber der Bund habe abgelehnt. Sie haben diese Geschichte heute dementiert – das stimmt also nicht?
Wir hätten schon Geld investieren können in die Lonza. Das wäre eine Industriepolitik gewesen, die der Bundesrat nie wollte und das Parlament übrigens auch nicht. Aber matchentscheidend ist: es hätte überhaupt nichts genützt, um einen besseren Zugang zu Impfstoffen zu bekommen.
Eigentümer der ganzen Produktion und der Impfstoffe bleibt Moderna. Deshalb haben wir gesagt: Wenn wir die Produktion in der Schweiz unterstützen wollen, dann müssen wir mit Moderna verhandeln und die Produkte von Moderna kaufen. Das haben wir gemacht, und es war der einzige Weg, um einen guten Zugang zu einer guten Impfung zu haben.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.