Es ist eine Premiere für Alessandro und seine drei Kinder an einem Sonntag Mitte Dezember: Erstmals können sie zusammen ein Heimspiel des FC Basel besuchen. Und das gratis. Alessandro hat die vier Tickets von Saisonkartenbesitzern erhalten, die das Spiel gegen den FC Lausanne-Sport nicht im Stadion sehen wollten oder konnten.
Rund 100 Franken würde dieser Besuch sonst auf den günstigsten Plätzen kosten. Für Alessandro wäre das viel zu teuer: «Das könnte ich mir aufgrund meiner aktuellen Situation nicht leisten.» Näher auf seine Situation möchte er nicht eingehen. Der gemeinsame Matchbesuch macht ihn aber glücklich: «Die Kinder haben sich das schon lange mal gewünscht.»
Praktikant hatte die Idee
Die Gratis-Tickets vermittelt hat der Basler Verein «Gärngschee», der durch das Basler Online-Medium Bajour entstanden ist und sich generell für Armutsbetroffene einsetzt. Von diesen hätten viele den Wunsch, ein Spiel zu besuchen, sagt «Gärngschee»-Vorstandsmitglied Samuel Hufschmid.
Als der FC Basel kürzlich die Möglichkeit eingeführt hat, dass Saisonkartenbesitzer einfach online Einzelspiele freigeben können, sei ein Praktikant auf die Idee der Ticket-Vermittlung gekommen. Darauf hat «Gärngschee» eine Online-Plattform entwickelt, bei der sich Saisonkartenbesitzende und Armutsbetroffene anmelden können. Automatisch und – wenn gewünscht – völlig anonym werden so die Tickets übergeben.
Der Datenschutz sei gewährleistet und profitieren könnten wirklich nur Armutsbetroffene, sagt Hufschmid. «Entweder lassen wir uns Sozialhilfe-Ausweise zeigen und gleichen diese mit der ID ab. Oder es gibt andere Möglichkeiten wie Caritas-Plus-Karten, die nur armutsbetroffenen Familien ausgestellt werden.» Erst nach einer solchen Abklärung können sie die Plattform nutzen.
FC Basel unterstützt Aktion
Die Aktion wird vom FC Basel unterstützt. «Für uns als Klub ist es toll, wenn Plätze, die sonst leer bleiben, besetzt sind – umso mehr, wenn es Leute sind, die sich das nicht leisten können», sagt FCB-Kommunikationschef Remo Meister. «Dann haben wir mehr Zuschauende im Stadion und eine bessere Stimmung.»
Beim Spiel gegen Lausanne gibt der FCB die offizielle Zuschauerzahl mit 23'563 an. Allerdings werden dabei alle rund 19'000 Besitzerinnen und Besitzer von Saisonkarten mitgezählt, obwohl viele gar nicht gekommen sind. Diese «No-Show»-Zahlen kommuniziert der FCB nicht. Meist sind es aber jeweils mehrere Tausend, die fernbleiben und ihr Ticket nicht weitergeben.
Ein riesiges Potenzial für die Plattform. Über diese werden erst rund 50 FCB-Tickets pro Spiel vermittelt. Die Nachfrage von Armutsbetroffenen sei deutlich grösser, sagt Samuel Hufschmid. Die Aktion stehe aber erst am Anfang,
Unsere Idee kann kopiert werden. Alle Vereine aus allen Sportarten können unsere Lösung einsetzen, egal ob in der Schweiz oder im Ausland.
Er sieht zudem noch weiteres Potenzial. «Unsere Idee kann kopiert werden. Alle Vereine aus allen Sportarten können unsere Lösung einsetzen, egal ob in der Schweiz oder im Ausland.» Denn die Online-Plattform respektive der Programmiercode steht allen offen. Das sei die Bedingung der Swisslos-Fonds der beiden Basel gewesen, welche die Entwicklung finanziert haben.
Für wenige wie Alessandro ist die «Gärngschee»-Aktion schon jetzt ein Glücksfall. Er geniesst das Spiel mit seinen Kindern. «Für einmal kann ich ein wenig durchatmen und muss nicht daran denken, was alles nicht möglich ist. Ich kann etwas erleben, ohne mir Gedanken darüber zu machen.»