Jung, gesund, nicht im Gesundheitswesen tätig und trotzdem schon geimpft: Das dürfte es gemäss der Impfstrategie des Bundes eigentlich gar nicht geben. Denn der Impfstoff ist immer noch knapp.
Vortritt haben Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren, Erwachsene mit Vorerkrankungen und in zweiter Priorität unter anderem das Gesundheitspersonal mit Patientenkontakt.
Verband ermahnte Hausärzte
Trotzdem werden in Hausarztpraxen bereits jetzt immer wieder junge, gesunde Patienten geimpft, wie der Präsident des Verbandes mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, Philippe Luchsinger, bestätigt: «Wir haben leider auch davon gehört, dass diese Problematik besteht. Das entspricht nicht der Impfstrategie, die wir weiterhin unterstützen.»
Sein Verband habe Hausärztinnen und -ärzte daher bereits mehrfach an die Impfstrategie des Bundes erinnern müssen, sagt Luchsinger: «Unbedingt zuerst die vulnerablen Patientinnen und Patienten impfen, bevor der gesunde Teil der Bevölkerung geimpft werden kann.»
Nur überzählige Dosen verimpft?
Gerade bei Risikopersonen kann die Impfung Leben retten. Trotzdem kommen immer wieder Jüngere zum Stich, die nicht im Gesundheitswesen arbeiten. Dies sei häufig dann der Fall, wenn in einer Hausarztpraxis einzelne Impfdosen übrig blieben, die sonst verfallen würden, und sich gerade kein älterer Patient finden lasse, erklärt Luchsinger.
Dies bestätigt auch Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz. Er ergänzt aber: «Dann gibt es halt manchmal einmal ein Abweichen von der Impfstrategie. Damit können wir leben, die Impfaktion selbst wird damit nicht infrage gestellt.»
Kassen: Im Zentrum impfen ist gerechter
Verstossen wird damit aber gegen die Impfstrategie. So erzählten in der Tagesschau «19h30» des Westschweizer Fernsehens (RTS) diese Woche jüngere gesunde Frauen von ihrer Impfung.
Und beim News-Portal 20Minuten.ch berichtete ein 41-Jähriger bereits vor einem Monat von der Impfung, die er von einem ihm bekannten Arzt erhalten habe.
Solche Fälle lösen auch bei den Versicherungen Stirnrunzeln aus. Beim Krankenkassenverband Santésuisse sagt Matthias Müller, es sei entscheidend, die Risikogruppen sehr rasch zu impfen. Dafür eigneten sich die Impfzentren am besten. Auch dürfte es so einfacher sein, die Verteilung der Impfstoffe möglichst gerecht vorzunehmen.
Luchsinger dagegen ist nicht überzeugt, dass anonyme Impfzentren mit der gerechten Verteilung des Impfstoffs besser umgehen können als Hausärzte, die ihren Patientinnen und Patienten näherstehen. Wer sich als jüngere Person bei einem Impfzentrum anmelde, brauche ein ärztliches Attest: «Und vielleicht erhalten Sie auch das von Ihrem Spezial- oder Hausarzt», gibt er zu bedenken.
Kantonale Unterschiede bei geimpften Gruppen
Wie weit es nur Einzelfälle sind, ist anhand der vorhandenen Daten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) schwierig zu beurteilen. Eine Stichprobe zeigt aber: Im Kanton Jura zum Beispiel wurden anteilsmässig bis zum 28. März bereits fast doppelt so viele Impfdosen an Personen unter 50 Jahren abgegeben wie im Kanton Zug. Der Grund: «Im Kanton Jura wurde das Gesundheitspersonal mit derselben Priorität geimpft wie die betagten Personen und die Risikogruppen», erklärt Jacques Chapatte, Regierungssprecher des Kantons Jura.
Das zeigt: Die Impfstrategie des Bundes wird nicht in allen Kantonen gleich umgesetzt. Gemäss Strategie gehören Personen ab 65 und Erwachsene mit Vorerkrankungen zur Prioritätsgruppe 1. Danach folgt unter anderem das Gesundheitspersonal in Gruppe 2.
Im zweiten Quartal nun sollten gemäss Versprechungen des Bundes grössere Mengen an Impfstoff geliefert werden. Jene, die den Pieks kaum erwarten können, wären so bald schon ganz regulär an der Reihe.