Hoch über dem Alpstein, im wohl spektakulärsten Wirtshaus der Schweiz, bewirtete das Ehepaar Knechtle einst Gäste aus aller Welt. Als der Äscher vor zehn Jahren vom amerikanischen Magazin «National Geographic» zum schönsten Restaurant der Welt gekürt wurde, setzte ein regelrechter Hype ein. Die Touristen strömten in Massen – und der Trubel wurde zu viel.
Es war schön, aber irgendwann hat die Freude gelitten.
«Es war schön, aber irgendwann hat die Freude gelitten», sagt Nicole Knechtle rückblickend. Nach vier intensiven Jahren auf dem Äscher zog die Familie 2018 mit ihren vier Kindern ins Tal und schlug ein neues Kapitel auf: Permakultur statt «Massenabfertigung».
Ein Wechsel, der sich für die Familie aufgedrängt habe, resümiert Nicole Knechtle sieben Jahre später. Heute bewirtschaftet die Familie oberhalb von Weissbad im Kanton Appenzell Innerrhoden einen vielfältigen Kräutergarten. Ein paar hundert Meter daneben hält sie Tiere wie Alpschweine, Hühner, Pferde und natürlich auch Hund und Katze.
Pionierrolle im Appenzell Innerrhoden
Permakultur bedeutet für sie weit mehr als nachhaltige Landwirtschaft. Es sei ein Lebenskonzept, sagt Bernhard Knechtle, das auf Vielfalt, Kreislaufdenken und Gemeinschaft beruhe. Entstanden ist dieses Prinzip vor rund fünfzig Jahren in Australien.
Der Wechsel vom Gipfel ins Tal – vom Wirtshaus ins Kräuterfeld – habe neue Herausforderungen, aber auch neue Freiheiten gebracht, so die 39-jährige Nicole Knechtle. Ihr Familienbetrieb zählt zu den ersten Permakultur-Betrieben im Appenzellerland.
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Bild 1 von 5. Bernhard Knechtle mit dem seltenen Rätischen Grauvieh, eine robuste, trittsichere Rinderrasse, ideal für steile Weiden im Alpstein. Bildquelle: SIMON KAUFMANN.
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Bild 2 von 5. Nicole Knechtle pflückt Goldmelisse. Die Blüten werden zu Sirup, Tee und Kräutersalz verarbeitet. Bildquelle: SIMON KAUFMANN.
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Bild 3 von 5. Im Permakultur-Garten wächst neben Beeren und Kräuter auch Gemüse wie der Kohl. Bildquelle: SIMON KAUFMANN.
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Bild 4 von 5. Die schwarzen Alpschweine sind eine alte, widerstandsfähige Rasse, gehalten mit viel Auslauf. Bildquelle: SIMON KAUFMANN.
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Bild 5 von 5. Die Legehennen leben ganzjährig draussen und helfen beim Gärtnern. Sie fressen Schnecken und lockern die Erde auf. Bildquelle: SIMON KAUFMANN.
Heute verkaufen die Knechtles Gemüse, Kräuter und Fleisch, bieten Catering und Führungen an, stets im Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Wir geniessen jetzt alle diesen neuen Lebensabschnitt.
Ihre Erfahrung als Gastgeber im Äscher hilft dabei ebenso wie ihre Ausbildungen: Bernhard ist gelernter Metzger und Koch, Nicole hat eine kaufmännische Ausbildung und die Landwirtschaftsschule absolviert.
Äscher ist heute Freizeit statt Arbeit
Vor sieben Jahren wagten sie den Wechsel. «Wir geniessen jetzt alle diesen neuen Lebensabschnitt», sagt Nicole Knechtle, auch wenn vor allem ihr Mann beim alljährlichen Besuch auf dem Äscher, wo er aufgewachsen ist, manchmal wehmütig wird. Für die Familie, die das Berggasthaus über Generationen geführt hat, ging eine Ära zu Ende. Auch Nicole stammt aus einer Bergwirtenfamilie im Alpstein. Die beiden kennen sich seit dem Kindergarten. Den Äscher haben sie von 2014 bis 2018 geführt.
Kritische Stimme im Vorfeld
Dann begannen sie im Tal neu als Permakultivierer. Skepsis im Umfeld war anfangs spürbar: Rückenweh? Rendite? Doch die Familie blieb überzeugt. «Je mehr wir unsere Freude zeigen, desto mehr sehen die Leute, dass es funktioniert», sagt Nicole Knechtle. Auch das Familienleben habe sich verändert: «Die Kinder sind dabei, helfen mit. Wir sind einfach mehr zusammen.»
Die Knechtles haben nicht nur den Beruf gewechselt, sondern auch eine neue Lebensweise gefunden. Und vielleicht, so hofft Nicole Knechtle, folgen bald weitere Betriebe ihrem Beispiel.