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Vorbild Frankreich Lärmradarfallen könnten in der Schweiz schon bald Realität werden

Heute hat die Schweizer Lärmliga in Bern einen Lärmradar vorgestellt. Es soll der erste sein, der wirklich funktioniert. Allerdings fehlt noch das Entscheidende: ein Lärmgrenzwert.

Es ist ein ziemlich hässliches Gerät, das diesen Sommer in verschiedenen französischen Städten und auch in England probehalber aufgehängt worden ist: der Lärmradar «Hydra» (Deutsch: «vielköpfiges Ungeheuer»).

Zwei hochsensible Lärmsensoren verbergen sich hinter zwei Gitterkörben, links und rechts ragen zwei Kameras hervor, unten filmt eine Panoramakamera und oben spriessen Sensoren für Luftdruck und Luftfeuchtigkeit hervor.

Ein Lärmblitzer in Frankreich
Legende: Der Lärmradar des Herstellers Bruitparif wird derzeit in Frankreich getestet SRF

Das alles braucht es, will die Hydra den Lärm vorbeifahrender Fahrzeuge präzise messen. Regnet es, verstärkt dies den Lärm enorm, ebenso verfälschend sind Hallgeräusche von nahen Häuserwänden oder der Strassenbelag. Wird ein Lärmgrenzwert überschritten, wird geblitzt und gebüsst.

Neuwagen werden immer leiser

In Frankreich soll die Hydra gemäss Angaben des Herstellers Bruitparif bereits nächstes Jahr zum Einsatz kommen. Bussen von 135 Euro (134 Schweizer Franken) könnten gegen zu laut Fahrende verhängt werden.

Nur: Das Hauptproblem ist noch nicht gelöst. Ab wie viel Lärm gibt es eine Busse? Dafür bräuchte es einen Lärmobergrenzwert, der für alle Fahrzeuge gleichermassen gilt. Einen solchen Grenzwert aber gibt es in ganz Europa nicht.

Ein Grenzwert für alle Fahrzeuge sei eine sehr komplexe Angelegenheit, technisch wie juristisch, sagt Thomas Rohrbach, Sprecher des Astra. Das Bundesamt für Strassen untersucht zurzeit, ob so ein Grenzwert überhaupt machbar ist. Denn auch in der Schweiz könnten Lärmradars zum Einsatz kommen. Im Auftrag des Parlaments muss das Astra die Idee prüfen. Und vor allem: die Machbarkeit eines allgemeinen Grenzwertes.

Denn ob ein Auto in den 90er Jahren zugelassen wurde oder heute, macht, auch was den Lärm betrifft, einen grossen Unterschied. Denn: Autos werden immer leiser. Der TCS belegt das in einer Studie für das Bundesamt für Umwelt (Bafu) und mit Autos, die zwischen 2005 und 2015 zugelassen worden sind. Alleine in diesen zehn Jahren hat sich der Lärm um rund ein Viertel verringert.

Einsatz auch auf Landstrassen?

Das sei alles lösbar, meint die Lärmliga Schweiz. Sie hat heute den Lärmradar Hydra in Bern vorgestellt und will ihn so schnell als möglich in der Schweiz aufstellen lassen. «Der Grenzwert muss so sein, dass ein normal betriebenes Auto, unabhängig von dessen Alter, nicht geblitzt wird», sagt Martin Looser von der Lärmliga.

Es brauche eine Sicherheitsmarge. Das würde jedoch bedeuten, dass der Grenzwert sehr hoch angesetzt werden müsste.

Dieses Schild erklärt den Lärmradar in Frankreich.
Legende: In Frankreich soll der Lärmradar nur innerorts in 50er-Zonen aufgestellt werden, wo Anwohner besonders gestört werden. SRF

In der Schweiz allerdings will die Lärmliga den Lärmradar auch auf Passstrassen aufstellen, wie Looser gegenüber SRF sagt. Das aber würde bedeuten, dass der Grenzwert noch höher gesetzt würde, denn Fahrzeuge sind, je schneller sie fahren, ob sie beschleunigen oder sogar einen Berg hinauffahren, nochmals lauter – und zwar völlig legal. Ein Lärmradar mit einem tiefen Grenzwert hätte Mühe, nicht zu viel legal fahrende Autos oder Motorräder zu blitzen.

Legale Autos aber wolle man nicht büssen, betont Looser, solange sie keinen «übermässigen Lärm» verursachten. Man habe «Autoposer» und «Lärmrowdies» im Visier. «Übermässiger» Lärm also, der beim Reifenquietschen, unnötigen Gasgeben, oder unnötig hochtourigem Fahren entsteht. Diese Lärmverursacher können schon heute gebüsst werden. Der Lärmradar würde dort lauschen, wo keine Polizei zugegen ist.

Tagesschau, 08.11.22, 19:30 Uhr

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