Katholische und reformierte Kirchgemeinden legten sich im vergangenen Herbst für die Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) ins Zeug. Das hat nicht allen gefallen. Die Kritik: Landeskirchen, die mit Steuergeldern finanziert seien, hätten sich politisch zurückzuhalten.
Das Bundesgericht hat sich unterdessen mit der Frage beschäftigt, ob Kirchen politisieren dürfen oder nicht – dies aber offen gelassen. Entsprechende Stimmrechtsbeschwerden der Jungliberalen wurden abgeschrieben, weil die Initative abgelehnt worden ist.
Wie weit sich Kirchen für ein politisches Thema engagieren dürfen oder sollen bleibt ein umstrittenes Thema – auch hinsichtlich künftiger Abstimmungsvorlagen.
Positionieren, aber ohne Parolen
So vehement wie für die KVI hatten sich die Kirchen kaum je engagiert. Vielerorts sah man Werbebanner an Kirchtürmen. Nach dem Entscheid des Bundesgerichts bleiben so deutliche Positionsbezüge auch künftig möglich.
Zum Glück, findet man bei der katholischen Landeskirche des Kantons Thurgau. Doch Generalsekretär Urs Brosi plädiert für mehr Zurückhaltung.
«Das heisst, das wir Güter und Übel abwägen und versuchen, klar zu machen wie wir zu unseren Positionen kommen.» Wichtig sei ihm, dass sie nicht zu stark in Schlagworte und Parolen abdriften. «Ich glaube, das Engagement bei der Konzerverantwortungsinitiaive hat eine Eigendynamik bekommen, die etwas zu stark geworden ist.»
Pfarrer: «Nochmals alles gleich machen»
Auch der Turm der reformierten Pauluskirche in der Stadt Bern war zu einem Symbolbild des kirchlichen Abstimmungskampfes geworden. Pfarrer Uli Geisler findet auch im Rückblick, dass alles richtig war.
Das Thema hat bei uns eine jahrzehntelange Geschichte.
«Ich würde es genau gleich machen, und zwar auch auf dem Hintergrund, dass das Thema bei uns eine jahrzehntelange Geschichte hat.»
In der Kirchgemeinde und im Team sei man sich völlig einer Meinung gewesen. «Das ist für mich eigentlich die Voraussetzung, dass man sowas machen kann. Wenn das wieder gegeben ist, würde ich es genau so nochmals machen.»
Andersdenkende im Abseits
«Natürlich sollte die Kirche allen Menschen eine Heimat bieten», findet Pfarrer Geisler, «auch in Bezug auf ihr Seelenheil und ihren Fragen nach dem alltäglichen Leben.» Gleichzeitig müsse die Kirche den Leuten aber auch klar sagen, wo sie in bestimmten gesellschaftspolitischen Fragen stünden.
Doch läuft eine Kirche mit so klaren politische Positionen nicht Gefahr, dass sich Andersdenkende von ihr abwenden? Ein Thema wie die Ehe für homosexuelle Paare zum Beispiel, die schon bald vors Volk kommen könnte, polarisiert.
Dies ist gerade für die katholische Kirche ein eher schwieriges Thema. «Hier ist die Bischofskonferenz aufgrund ihrer lehramtlichen Bindung klar in einer Abwehrposition», sagt Urs Brosi. Während der Grossteil der kirchlichen Basis - auch in der katholischen Kirche - dies heutzutage unterstütze. «Das wird dazu führen, dass wir uns eher zurückhalten werden.
Ob sich Kirchen vor Abstimmungen engagieren dürfen - das Bundesgericht will erst darüber urteilen, falls ein entsprechendes Engagement einmal den Ausgang eine Abstimmung beeinflusst hat.