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Wolfsdebatte geht weiter Neuer Anlauf bei der Regulierung von Wolfsrudeln

Mitte-Nationalrat Martin Candinas fordert, dass die Anzahl Risse bei der Regulierung von Wölfen keine Rolle mehr spielt.

Geht es um den Wolf, sind die Fronten verhärtet. Naturschutzorganisationen freuen sich über seine Rückkehr, die Bevölkerung in den Bergen hingegen fürchtet ihn. Viele würden seinen Bestand am liebsten stärker regulieren. Doch die Regeln dafür sind klar: Gemäss Bundesrecht darf ein Rudel Wölfe nur reguliert werden, wenn ein Wolf zehn geschützte Tiere gerissen hat, etwa bewachte oder eingezäunte Schafe.

Der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas will das ändern. Künftig soll es keine Rolle mehr spielen, wie viele geschützte Tiere ein Wolf gerissen hat. «Wenn der Wolf eine geschützte Herde angreift, dann gibt es keine zweite Chance. Dann muss man handeln können, unabhängig von der Anzahl gerissener Tiere. Meines Erachtens auch unabhängig davon, ob der Angriff zu einem Riss geführt hat oder nicht», sagt er.

Schutz soll aufgeweicht werden

Geht es nach Candinas, sollen Wölfe gar geschossen werden dürfen, bevor ein Schaden entstanden ist. Überhaupt versteht er den Schadensbegriff weiter als die nationale Gesetzgebung. Für ihn hat bereits die Rückkehr des Wolfs in die Schweizer Alpen den Bergbauern geschadet. Die Alpwirtschaft sei dadurch viel aufwändiger und damit auch teurer geworden.

In der Herbstsession in Bern hat er nun einen Vorstoss eingereicht. Vom Bundesrat will er wissen, weshalb der Schadensbegriff so eng ausgelegt wird. Er verweist auf ein Rechtsgutachten, das im Auftrag des Bauernvereins Surselva erstellt wurde. Dieses kommt zum selben Schluss wie Candinas: Ein ernster Schaden entstehe für die Landwirtschaft nicht erst «bei Erreichen einer bestimmten, mehr oder weniger willkürlich angesetzten Schadensschwelle bei Rissereignissen». Sondern bereits durch die Präsenz des Wolfes.

Wenn der Wolf eine geschützte Herde angreift, dann gibt es keine zweite Chance.
Autor: Martin Candinas Mitte-Nationalrat aus Graubünden

Unterschrieben haben Candinas Interpellation vor allem bürgerliche Politikerinnen und Politiker, aber auch ein SP-Nationalrat aus dem Wallis sowie die beiden Nationalrätinnen der Grünen, Meret Schneider und Christine Badertscher.

Nulltoleranz gegenüber dem Wolf?

Die Regulierung von Wolfsrudeln hat jüngst insbesondere im Kanton Graubünden zu reden gegeben. Anfang September hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) den Abschuss dreier Jungwölfe des berüchtigten Beverin-Rudels bewilligt. Nicht bewilligt hat es indes den Abschuss von zwei weiteren Jungwölfen des Stagias-Rudels im Bündner Oberland – zum Unmut des Kantons. Mehr als zehn geschützte Tiere seien in dieser Gegend gerissen worden, argumentierten die Bündner Behörden. Das Bafu anerkannte indes nur acht Risse. Die anderen drei Tiere seien nicht genügend geschützt gewesen.

Einen Wolf präventiv irgendwo im Wald oder auf den Bergen abzuschiessen bringt nichts.
Autor: David Gerke Präsident Gruppe Wolf Schweiz

Wann ein Wolf geschossen werden sollte, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. Während Candinas dem Wolf gegenüber eine Nulltoleranz fordert, hält David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, dagegen. In einem Interview mit Radio SRF sagte er kürzlich: «Einen Wolf präventiv irgendwo im Wald oder auf den Bergen abzuschiessen bringt nichts. Wenn man Wolfsrudel erziehen will, muss man sie dort erziehen, wo sie das unerwünschte Verhalten aufweisen.»

Die von Candinas geforderte Nulltoleranz könnte de facto die Kündigung der «Berner Konvention» bedeuten, ein europäisches Abkommen zum Schutz des Wolfes und vieler anderer Wildtiere und -pflanzen. Politisch dürfte diese Forderung aber kaum durchkommen. In einer Antwort auf einen ähnlichen Vorstoss hat der Bundesrat schon vor Jahren erklärt, eine Kündigung der Berner Konvention wäre ein schlechtes Signal für den Naturschutz und das Image der Schweiz im Ausland.

Regionaljournal Graubünden, 27.9.2021, 17:30 Uhr ; 

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