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Tote Schafe trotz Herdenschutz Wallis will Jungwölfe abschiessen

Kurz nach dem Abschuss eines Wolfes wurden erneut Schafe gerissen. Der Kanton will nun weitere Tiere schiessen. Doch ist das die Lösung?

Das Ehepaar Kreuzer züchtet seit 30 Jahren Schafe und lebt davon. Über 330 Tiere sind derzeit auf der Alp Geren-Lengis oberhalb von Oberwald (VS). Eine Gegend, in der die Wölfe besonders aktiv sind. 25 Schafe hat das Ehepaar Kreuzer verloren. Zwei von ihnen erst diese Woche, auch nachdem bereits ein Wolf in der Region abgeschossen wurde. Insgesamt wurden im ganzen Kanton Wallis laut Jagdinspektor in diesem Jahr 170 Schafe gerissen.

«In der Nacht erwache ich mehrmals und schauen, ob ich etwas höre», sagt Eliane Kreuzer. Wütend ist sie nicht, aber frustriert. Denn sie und die anderen Landwirte auf der Alp schützen die Schafe mit vier Herdenschutzhunden, zwei Hirten und rund 25 Kilometern Elektrozaun. «Der Aufwand ist sehr gross, mehr können wir nicht machen», so Kreuzer. Trotzdem konnte der Wolf mehrere Schafe erreichen. Für viele Schafzüchter ist der Herdenschutz darum gescheitert.

Hirte schaut zu Schafen in der Nacht
Legende: Ein Schäfer im Walliser Val de Bagnes bewacht die Schafe während der Nacht. Freiwillige Helfer helfen Bauern und Hirten nachts, Schafe auf Sommerweiden vor Wolfsangriffen zu schützen. Keystone

Anders sieht dies David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, die sich für die Grossraubtiere einsetzt. Der Herdenschutz sei keine Garantie, dass nichts mehr passiert. Er reduziere die Wolfsrisse aber deutlich: «Herden ohne Herdenschutz werden massiv mehr angegriffen als jene mit Schutz. Damit ist der Herdenschutz insgesamt sehr erfolgreich.»

Den Wolfsgegnern ist dies nicht genug. Die Forderungen nach mehr Wolfsabschüssen bleiben laut, auch wenn das Schweizer Stimmvolk das neue Jagdgesetz, welches den Abschuss erleichtern wollte, ablehnte.

Teilweise sind die Forderungen aber nicht mehr so extrem. Der «Verein Schweiz zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren» schlägt vor, die Gebiete in Zonen einzuteilen. So soll sich der Wolf in gewissen Zonen frei bewegen, in anderen hingegen direkt abgeschossen werden dürfen, sobald er auftaucht. «Es braucht eine präventive Regulierung der Bestände, sonst wird die ganze Landwirtschaft zerstört», sagt Georges Schnydrig, Co-Präsident des Vereins. Die Zonen würden den Schafhirtinnen und -hirten Planungssicherheit geben.

Nichts von den Zonen hält David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz: «Der Wolf hält sich weder an Landes-, noch an Zonengrenzen.» Die Wölfe würden trotzdem in diese Gebiete einwandern und bis man ihn erwische, könne es Monate dauern. «Das funktioniert in der Praxis nicht, es gibt den Hirten nur eine Scheinsicherheit.»

Walliser Regierung will Jungtiere abschiessen

Der Wolf wird sich jedoch weiter ausbreiten, ist auch David Gerke überzeugt. Derzeit sind schätzungsweise 40 Wölfe im Wallis unterwegs. Ein Wolf wurde diese Woche geschossen, weitere sollen folgen. Die Walliser Kantonsregierung will nämlich im Val d'Hérens Jungtiere aus einem Wolfsrudel abschiessen. In der Region wurden in den letzten vier Monaten elf Schafe in einer geschützten Situation getötet. Bisher waren die Behörden davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein Wolfspaar handelt – das darf nicht abgeschossen werden. Fotos hätten nun aber gezeigt, dass auch Wolfsjunge dabei sind. Die Jungwölfe dürfen teilweise geschossen werden, wenn der Bund dies bewilligt. Der Antrag wurde nun gestellt.

Wolfsbestand nimmt zu

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Dass der Wolf im Wallis mehr Schafe reisst als anderswo, lässt sich in absoluten Zahlen nicht belegen. Tatsache ist aber, dass in diesem Sommer Schafe auf Walliser Alpen gerissen wurden, die bisher noch nie mit dem Wolf konfrontiert worden waren.

«Der Wolfsbestand ist seit Längerem zunehmend. Darum sind auch mehr und mehr Regionen vom Wolf betroffen», sagt David Gerke. Teilweise seien mehrere Gegenden gleichzeitig betroffen.

Das Beispiel aus dem Goms zeigt: Auch wenn ein Wolf geschossen wurde, kann es im selben Gebiet weiterhin zu Schafrissen kommen. Eine Lösung für David Gerke wäre, mehr Hirten auszubilden. Man habe derzeit schlicht zu wenig fachkundiges Personal für die Schafbehirtung. «Wir haben in der Schweiz keine Hirtentradition wie in Süd- oder Osteuropa. Wir müssen dies nach 150 Jahren ohne Wolf neu lernen.»

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 05.08.2021, 06:31 Uhr ; 

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