Der Nationalrat möchte die Gewissensprüfung für den Zivildienst wieder einführen – weil zu viele Männer Zivil- statt Militärdienst leisten. Das würde bedeuten, dass junge Wehrpflichtige wie früher vor einer Kommission darlegen müssten, inwiefern sie aus ernsthaften Gewissensgründen – und nicht etwa aus Bequemlichkeit oder politischen Motiven – keinen Militärdienst leisten können.
Sibylle Feucht war seit den 1990er-Jahren in der Zulassungskommission zum Zivildienst. Sie hat sich auf ein Stelleninserat beworben – und wurde genommen. Dass sie eine Frau war und nichts mit dem Militär am Hut hatte, passte gut: Die Kommission sollte möglichst vielfältig zusammengesetzt sein.
«Anders als der Name suggeriert, war das keine Prüfung», erzählt Feucht. Denn bei einer Prüfung gebe es nur richtig und falsch, und darum sei es bei der Gewissensfrage nicht gegangen. «Es ging darum, zu verstehen, warum jemand durch den Dienst an der Waffe in einen Konflikt mit seinem Gewissen gerät.» Bei manchen waren das religiöse oder pazifistische Gründe, andere lehnten Gewalt im Alltag ab.
Die meisten waren «Überzeugungstäter»
Peter Schwarz hat im Unterschied zu Feucht Militärdienst geleistet, er war Unteroffizier. Auch er hat sich für die Kommission beworben und war die letzten drei Jahre dabei – bis 2009. In dieser Zeit hat er mit rund 150 Personen über ihr Gewissen gesprochen. Die meisten seien «Überzeugungstäter» gewesen, erzählt Schwarz: «Sie konnten klar darlegen, warum für sie der Militärdienst ein No-Go ist.»
Die Antworten der jungen Männer waren laut den beiden ehemaligen Kommissionsmitgliedern häufig ausserordentlich interessant. Richtig gute Gespräche hätten sich ergeben.
Und manchmal zeigte sich laut Schwarz in den Unterhaltungen, dass es sogar eine Alternative zum Zivildienst gebe: «Wir hatten Leute, die gesagt haben, sie wollen nicht auf Menschen schiessen und da haben wir zurückgefragt, ob sie sich einen waffenlosen Dienst bei der Sanität oder in der Küche vorstellen könnten.»
Hatten Gymnasiasten die besseren Karten?
Der Bundesrat muss einen Bericht zur Wiedereinführung der Gewissensprüfung verfassen. Die Gegner sagen, wer das Argumentieren gelernt habe, etwa am Gymnasium, habe bei einer Gewissensprüfung bessere Karten.
Das können die beiden ehemaligen Kommissionsmitglieder nicht bestätigen: «Dass sprachgewandte Personen einen Vorteil gehabt hätten, habe ich so nicht erlebt», sagt Feucht. Beeindruckt hätten sie vor allem junge Handwerker, die das Problem zupackend gelöst und sich nicht in Theorien verstiegen hätten.
Auch Schwarz erzählt, für ihn sei überraschend gewesen, dass Personen ohne Ausbildung oder mit einer Berufslehre im mündlichen Ausdruck am überzeugendsten waren. «Bei Nichtakademikern kamen weniger Allgemeinplätze, bei Maturanden und Studenten musste man konkreter nachfragen.»
«Keine alten Hüte wieder auspacken»
Der Vorschlag, die Gewissensprüfung wieder einzuführen, kommt bei den beiden ehemaligen «Gewissensprüfern» nicht so gut an. Schwarz hat sich zwar noch kein abschliessendes Urteil gebildet, findet aber, die Armee müsse zuerst ihre Probleme lösen, statt einfach die Hürde zum Zivildienst zu erhöhen.
Und Sibylle Feucht fände es besser, die Dienstpflicht grundsätzlich neu aufzustellen – eine Art allgemeine Dienstpflicht für alle wie in Schweden –, statt alte Hüte wieder auszupacken.