Zum Inhalt springen

Zu viele Gifte im Wasser Grundwasser durch Landwirtschaft zunehmend unter Druck

  • Rund 15 Prozent der Messstellen weisen eine Nitratbelastung über dem Grenzwert auf.
  • Das zeigt der neuste Bericht des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) zur Qualität des Schweizer Grundwassers.
  • Die zunehmende Verunreinigung stammt mehrheitlich aus dem Ackerbau im Mittelland.

Das Trinkwasser ist zwar nicht in Gefahr, aber «zunehmend unter Druck», heisst es im vom Bafu veröffentlichten Naqua-Bericht über den Zustand des Grundwassers. Dass die Schweiz nur rund 7 Prozent des theoretisch nutzbaren Grundwassers für die Trinkwasserversorgung nutze, dürfe nicht zu Sorglosigkeit führen, so das Fazit. Im Jura und in den alpinen Regionen sind Belastungen tiefer und die Qualität relativ naturnah.

Der Naqua-Bericht

Box aufklappen Box zuklappen

Die Nationale Grundwasserbeobachtung Naqua ist das gemeinsame Monitoringprogramm von Bund und Kantonen, das die Grundwasser-Quantität und -Qualität landesweit an rund 600 Messstellen erfasst.

Der Bericht basiert auf Daten aus den Jahren 2007 bis 2016. Die Proben stammen von mehr als 600 Messstellen der Nationalen Grundwasserüberwachung (Naqua). Das Grundwasser liefert 80 Prozent des in der Schweiz verbrauchten Trinkwassers.

Abbauprodukte fast überall im Mittelland

Neben der Nitratbelastung wegen Überdüngung sind auch Pestizide (Pflanzenschutzmittel und Biozide) und deren Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten, ein Problem. An jeder zweiten Messstelle (53 Prozent) fanden sich derartige Wirkstoffe. In Ackerbaugebieten lassen sie sich an 95 Prozent der Messstellen nachweisen, also fast an jeder. Die Ausgangssubstanz des Pflanzenschutzmittels findet sich dabei nur sehr selten, und nicht jedes Abbauprodukt ist Trinkwasser-relevant.

Flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (FHKW) wurden an jeder vierten Messstelle nachgewiesen, bei 3 Prozent der Messstellen wurde der Grenzwert von einem Milligramm pro Liter überschritten. FHKW sind oft an Altlasten gebunden oder sie stammen aus Lösungsmitteln.

Belastetes Wasser einfach «wegmischen»

Neu wurde im Jahr 2017 erstmals auch das Fungizid Chlorthalonil beziehungsweise dessen Abbauprodukt eindeutig identifiziert, wie Ronald Kozel, interimistischer Leiter der Abteilung Hydrologie des Bafu, vor den Medien ausführte. In der EU ist das Mittel seit Ende 2018 nicht mehr zugelassen. In der Schweiz wird es vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) derzeit neu beurteilt. Ein Widerruf der Zulassung wird für den Herbst erwartet.

Aufwind für Umwelt-Initiativen?

Box aufklappen Box zuklappen

Der Bafu-Bericht kommt zu einem brisanten Zeitpunkt: Bald wird das Schweizer Stimmvolk über die Trinkwasser- und über die Pestizid-Initiative abstimmen. Beide Volksbegehren wurden von links-grünen Kreisen lanciert und wollen den Gebrauch von chemischen Stoffen in der Landwirtschaft massiv einschränken oder sogar verbieten. Angesichts der derzeit jedes Jahr eingesetzten 2000 Tonnen Pflanzenschutzmittel durch die Landwirtschaft wäre ein solches Verbot ein massiver Eingriff. Der Schweizerische Bauernverband bekämpft die Vorlagen denn auch mit allen Mitteln. Vors Volk kommen sie wohl im nächsten Jahr.

Das Mittel gegen Pilzbefall stelle die Versorger insofern vor grosse Probleme, als es noch keine zuverlässige Aufbereitungsmethode gebe, so Kozel. Mit Chlorthalonil verunreinigtes Grundwasser kann bisher nur durch Vermischen mit unbelastetem Wasser entschärft werden. Oder man verzichtet ganz auf eine solche Grundwasserfassung.

Sehr niedrige Konzentrationen von Arzneimitteln wie Antibiotika oder Röntgenkonstrastmitteln wurden an 13 Prozent der Messstellen gefunden.

Bauernverband wehrt sich

Bei den Landwirten zeitigt der Bericht geharnischte Reaktionen. Martin Rufer vom Schweizer Bauernverband kritisiert die Kadenz des Berichts. Die Einschätzungen der Naqua würden auf Zahlen aus dem Jahr 2016 und früher beruhen.

Seit Anfang 2017 sei aber der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutzmittel in Kraft, so Rufer. Dieser Aktionsplan umfasse 51 Punkte, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft zu reduzieren.

Dazu sagt SRF-Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler: «Es gibt sicher einen Grund, wieso die Bauern im Fokus stehen.» So sei etwa das Problem mit dem Nitrat, das aus Gülle und Dünger stammt, seit Jahren ein Problem im Grundwasser. Ausserdem zeigten die erhobenen Messdaten deutlich, dass jene Gebiete grossflächig von überhöhten Pflanzenschutzmittel-Werten betroffen seien, wo auch intensiv Landwirtschaft betrieben werde.

Meistgelesene Artikel