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Zum Ende der Session Bei Cüpli und Lachs wird Politik gemacht

Unlautere Beeinflussung oder nötige Information? Die Wirkung von Lobbys auf Parlamentarier gibt immer mehr zu reden.

Darum geht es: Die Parlamentarier sind während der Session vielfältigen Beeinflussungsversuchen von Lobbys ausgesetzt. So fanden etwa im nur wenige Schritte vom Bundeshaus entfernten Nobelhotel Bellevue während der zu Ende gegangenen Frühjahrssession Anlässe von Economiesuisse, Tourismusverband, Flughafenverband oder den Elektrizitätsunternehmen statt. An solchen Anlässen werden den Parlamentarierinnen und Parlamentariern jeweils grosszügig Essen und Trinken offeriert. Und Argumente in eigener Sache.

Lobbys wollen Einfluss: Ziel der von den diversen Verbänden organisierten Anlässen ist die Einflussnahme auf die Parlamentarier und deren Entscheide. «Gesetze entstehen nicht im Parlament selber, sondern an solchen Orten», sagt Thomas Angeli vom Verein Lobbywatch. Sein Verein wolle «zumindest ansatzweise» aufzeigen, wie und wo Parlamentarier gebrieft und beeinflusst werden. Deshalb hat er eine Liste mit allen Parlamentsanlässen veröffentlicht. So können sich Interessierte wenigstens einen Überblick über die Einflussversuche der Lobbys verschaffen.

Wertvolle Informationsleistung? Manche Parlamentarier geben unumwunden zu, an Lobby-Anlässen teilzunehmen – und davon auch zu profitieren. «Ich gehe ab und zu gerne dorthin», sagt etwa CVP-Nationalrat Leo Müller. Er schätze vor allem, dass er dort zu einem bestimmten Thema andere Informationen erhalte, als von der Verwaltung oder dem Bundesrat. Auch Claude Janiak oder Anita Fetz, beides Ständeräte der SP, verteidigen die Anlässe. «Ich bin kein Fachmann, deshalb habe ich den Anlass von E-Power zur Handystrahlung besucht», sagt Janiak. Und Fetz gibt zu, dass sie dabei auch beeinflusst werde, «aber nicht in dem Sinn, dass ich dann aufhöre zu denken», betont sie.

Männer in Anzügen sitzen an Tischen in der Lobby des Bundeshauses und sprechen miteinander.
Legende: Auch in der Wandelhalle des Bundeshauses versucht so mancher Lobbyist, Einfluss auf Parlamentsentscheide zu nehmen. Keystone

Das Problem könnte anderswo liegen: Für Ständerätin Fetz sind weniger die Lobby-Anlässe problematisch, als vielmehr die Verwaltungs- oder Beiratsmandate, welche viele Parlamentarier innehaben. «Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing», sagt sie. Und das sei bei den Debatten im Ständerat stark spürbar. «Das ist unanständig, das ist nicht unabhängig», findet Fetz. Angesprochen ist hier etwa FDP-Ständerat Martin Schmid, der im VR von mehreren Energiefirmen sitzt. Er spielt den Ball weiter und benennt, was in seinen Augen das Hauptproblem ist: «Die Entfremdung der Politiker von den Bürgerinnen und Bürgern.» Manche gebärdeten sich als Berufspolitiker, und benähmen sich wie in einer Glaskugel.

Unvollständige Liste der Mandatsbindungen: Zwar gibt es eine öffentliche Liste mit den Interessenbindungen der Parlamentarier. Doch diese ist unvollständig – ohne Konsequenzen für die fehlbaren Volksvertreter. «Etwa die Hälfte aller Parlamentarier vergisst, ihre Mandate zu deklarieren», stellt Angeli von Lobbywatch fest. Deshalb herrsche in keiner Weise volle Transparenz. Sein Verein publiziert auf seiner Webseite deshalb eine eigene, vollständige Liste der Parlamentarier-Mandate.

Verdecktes Lobbying als Gefahr: «Wenn verborgen bleibt, wer als Lobbyist welche Interessen vertritt und welche finanziellen Mittel im Spiel sind, wird es problematisch», betont Martin Hilti, Direktor der Organisation Transparency Schweiz. Dann bestehe die Gefahr, dass die demokratischen Entscheidfindungsprozesse unterlaufen würden. Zwar habe das Milizsystem quasi natürlicherweise zur Folge, dass viele Parlamentarier Lobbyisten seien – doch wie und für wen müsse für die Bürger ersichtlich sein, so Hilti. Transparency fordert deshalb eine genaue öffentliche Auflistung aller Interessenbindungen und Mandate inklusive der dafür erhaltenen Entschädigungen.

Parlamentarier gegen Offenlegung: Die Mehrheit der Parlamentarier hat sich bislang stets gegen eine vollständige Offenlegungspflicht gewehrt. Einer von ihnen ist der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi. «Jeder Parlamentarier hat nebenbei seine Haupttätigkeit», sagt er. Und hier müsse eine gewisse Privatsphäre gelten. Deshalb sei er grundsätzlich gegen eine vollständige Offenlegung der Interessenbindungen.

Das Volk hat langsam genug: Auch wenn sich viele Parlamentarier dagegen wehren: Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich mehr Transparenz, wenn es um den Einfluss von finanzkräftigen Gruppen auf die Politik geht. Das zeigen diverse Umfragen. Diese Haltung ist kürzlich in Freiburg und Schwyz bestätigt worden: In beiden Kantonen haben die Stimmbürgerinnen und -bürger dafür votiert, dass Parteien und Politorganisationen bei Wahlen und Abstimmungen künftig ihre Financiers offenlegen müssen.

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