Die Ausschreitungen: Brennende Müllcontainer, Molotowcocktails und Pflastersteine, die in Richtung von Polizisten in Vollmontur fliegen. Diese setzen Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer gegen die Randalierer ein. In den letzten beiden Nächten kam es im Lausanner Stadtteil Prélaz zu wüsten Ausschreitungen.
«Ein Bekannter von mir war vor Ort und berichtete von kriegsähnlichen Szenen», sagt Roman Fillinger, Westschweiz-Korrespondent von SRF. «Wichtig ist aber auch zu sagen, dass bislang niemand verletzt wurde.» An den Protesten beteiligten sich Hunderte von Jugendlichen. Sieben Menschen wurden laut den Behörden festgenommen.
Die Verfolgungsjagd: Ausgelöst wurden die Krawalle durch den Tod eines 17-Jährigen. Er war am Sonntag auf einem gestohlenen Roller vor der Polizei geflüchtet und bei der Verfolgungsjagd tödlich verunglückt. Bereits im Juni kam es in Lausanne zu einem ähnlichen Fall. Damals war eine 14-Jährige auf der Flucht vor der Polizei mit einem Motorrad gestürzt und später an den Folgen ihrer Verletzungen gestorben.
Die Vorwürfe gegen die Polizei: Am Montagvormittag wurden die Proteste von Enthüllungen über die Lausanner Polizei befeuert. So stellt ein neuer Bericht infrage, ob ein Zürcher 2021 am Bahnhof Morges VD von der Polizei aus Notwehr erschossen wurde.
Am Montagnachmittag enthüllte die Lausanner Staatsanwaltschaft zudem Whatsapp-Chats, in denen Polizisten antisemitische, sexistische und weitere diskriminierende Nachrichten austauschten. Stadtpräsident Grégoire Junod (SP) sprach von «einem Problem des systemischen Rassismus».
Die Stimmungslage in Lausanne: SRF-Korrespondent Fillinger war heute in Lausanne unterwegs und hat mit den Menschen über die Ausschreitungen gesprochen. «Dabei traf ich auf eine Mischung aus Verständnis für die Trauer der Jugendlichen und Wut über die Zerstörungen.»
Wir wollen die Wahrheit wissen, wir fordern Gerechtigkeit.
Gegenüber SRF erklärt ein Jugendlicher, der sich an den Protesten beteiligt hat: «Es ist zu einfach, immer von tödlichen Unfällen zu sprechen. Wir wollen die Wahrheit wissen, wir fordern Gerechtigkeit.» Lausannes Stadtpräsident Junod hatte die Jugendlichen am Montag zum Dialog aufgerufen und gefordert, die Strassenkämpfe einzustellen. Sein Aufruf blieb ungehört.
Die Einordnung: Fillinger warnt davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. «Bei den beiden Verfolgungsjagden haben die Jugendlichen trotz allem Selbstunfälle gebaut. Das andere sind Fälle, in denen Männer in Polizeigewahrsam gestorben sind», so der Korrespondent. Und: Sollte sich bewahrheiten, dass der am Wochenende verstorbene Jugendliche einen Helm getragen habe, sei es fragwürdig, den Polizeieinsatz mit systemischem Rassismus zu erklären. Dass es diesen im Lausanner Polizeikorps gebe, sei angesichts der Whatsapps-Chats aber offenkundig.
In Medienberichten werden die Krawallnächte bereits mit Zuständen in französischen Banlieues verglichen. Solche Parallelen hält Fillinger für überzogen. «Prélaz ist sicher kein einfaches Quartier. Es gibt grosse soziale Gegensätze, gewisse Spannungen und der Migrationsanteil ist hoch.» Mit Vororten wie in Paris oder Marseille, wo der Rechtsstaat erodiert sei und Bandengewalt grassiere, sei Prélaz aber nicht zu vergleichen. Dass Banlieue-Krawalle und fragwürdige Influencer aus der Szene auf Jugendliche in der Romandie Einfluss hätten, sei aber durchaus vorstellbar.