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Antworten auf Ihre Fragen «Wie stark ist der Rückhalt von Xi Jinping in China?»

SRF-China-Korrespondent Lukas Messmer hat Ihre Fragen zu China im Live-Chat beantwortet.

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Lukas Messmer
TV-Korrespondent China
SRF

Chat-Protokoll:

Überwachung per Smartphone-Apps und elektronischer ID: Nutzt der Staat dies wirklich zur Überwachung seiner Bürger oder wird dies eher, wie auch manchmal zu hören ist, als eine Art Bonitätsprüfung («Credit Score») eingesetzt? Oder anders gefragt: Durchdringt die digitale Überwachung das Alltagsleben der Menschen oder sind da in unserer europäischen Vorstellung auch viele Mythen und Halbwahrheiten im Umlauf?

Lukas Messmer: Da sind viele Mythen und Halbwahrheiten im Umlauf. Diese Frage wird mir aus meinem Umfeld mit Abstand am häufigsten gestellt: Wie ist das mit dem «social credit system»? Das scheint in der freiheitsliebenden Schweiz sehr viel Angst zu verbreiten. Es gibt hier von verschiedenen Unternehmen einen «credit score», zu Beispiel von WeChat und Alipay. Das ist ähnlich wie der «credit score» in den USA.

Was es gibt, sind schwarze Listen, regional und national. Wer da drauf ist, kann zum Beispiel keine Schnellzüge mehr buchen. Da kann gelistet werden, wer gegen das Gesetz verstösst oder zum Beispiel in einem Zug sich nicht an Regeln hält.

Wie ist der Rückhalt von Xi Jinping in China? Einerseits in der Politik, andererseits in der Bevölkerung? Hat sich das in den letzten Jahren geändert?

Lukas Messmer: Das sind so die Fragen, die ganz schwierig zu beantworten sind. Über solche Themen redet man auch nur privat. In der jetzigen Politik scheint seine Position felsenfest zu sein. In der Bevölkerung, gerade hier in Shanghai, scheinen ihn viele Menschen vor allem seit dem Lockdown während der Pandemie kritischer als auch schon zu betrachten.

Kurz: Ich weiss es nicht, auch weil so etwas wie «Umfragen» zur Politik hier nicht existieren.

China steht vor der Herausforderung einer schnell alternden Bevölkerung, wie auch die Schweiz. Gibt es von der Regierung bereits Ankündigungen, wie das Land die steigenden Kosten für Renten und Gesundheitssystem stemmen will?

Lukas Messmer: Nicht wirklich.

Haben Sie eine Ahnung, inwiefern gerade junge Leute Mitgestaltungsmöglichkeiten wünschen (z.B. Umwelt-, Sozial- oder Wirtschaftspolitik)? Oder ist dies schlicht eine falsche Frage, weil westliche Vorstellungen von Mitgestaltung gar nicht gefragt bzw. interessant sind und man der KP bzw. dem Generalsekretär à priori vertraut.

Lukas Messmer: Das ist eine richtige Frage. Aber darüber denken wenige junge Leute tatsächlich nach, glaube ich, weil es die Möglichkeiten dazu praktisch nicht gibt. Diese Fragen stellen sich junge Chinesinnen und Chinesen wohl eher, wenn sie länger im Ausland gelebt und anders politische System erlebt haben.

Wie wichtig ist Bildung in der chinesischen Gesellschaft – und wie sieht der Druck auf Schüler aus?

Lukas Messmer: Unglaublich wichtig und der Druck ist riesig. Es gibt diese Prüfung, 高考, gaokao, so etwas wie eine Matura, die einmal im Jahr Millionen Schülerinnen und Schüler ablegen. Im Jahr 2025 waren es 13 Millionen.

Die Resultate bedingen, wie und wo man studieren kann. Das ist ein brutaler Wettbewerb um die wenigen, besten Studienplätze, der oft schon im Kindergarten beginnt.

Es ist ja immer wieder heikel, wenn Staaten China voller Ehre besuchen beim Umgang mit Tibet und Uiguren. Wie steht es da aktuell um die Menschenrechtsverletzungen? Ist Besserung in Sicht?

Lukas Messmer: Nein.

Wie schwierig ist es für Sie, Fragen hier im Chat ehrlich zu beantworten, da Sie sich bewusst sind, dass alle Ihre Aussagen überwacht werden und auch für Sie Konsequenzen haben können? Haben Sie einen automatischen inneren Filter oder müssen Sie bei heiklen Themen viel Energie aufwenden, abzuwägen, was Sie wie schreiben oder können Sie ganz ehrlich schreiben?

Lukas Messmer: Das ist eine sehr gute Frage. Ich antworte hier bis jetzt 100 Prozent frei. Die Fragen, die ich nicht ehrlich beantworten kann, habe ich weggelassen. Ich gehe davon aus, dass dieser Chat von den chinesischen Behörden gelesen wird.

Die Frage stellt sich eher bei meiner Arbeit an Berichten für die Tagesschau oder 10vor10. Man spricht von den drei T's, die heikel sind: Tibet, Taiwan und Tiananmen. Man hat immer die Möglichkeit im Hinterkopf, dass man dann später das Journalistenvisum verlieren könnte.

Ich mache eine Geschichte lieber nicht als mit innerem Filter.

Guten Tag Herr Messmer, Denken Sie, dass die Schweiz künftig in der Lage sein wird, die Einflüsse der USA vs. China auf sich auszubalancieren (Handel, Investition, geopolitischer Druck) und gilt die neutrale Haltung der Schweiz jetzt schon als Vorbild für andere Staaten, welche diese Herausforderung haben?

Lukas Messmer: Die Schweiz hat hier einen sehr guten Ruf und ich denke, sie wird dazu in der Lage sein.

Ich habe versucht, mir die Immobiliensituation in China anzusehen und bin davon ausgegangen, dass es etwa 60 bis 100 Millionen Wohneinheiten zu viel hat. Mit diesem Wissen und der lokalen Verteilung des Leerstands bin ich im letzten Dezember durch Südchina gereist. Auf Basis der lokalen Überprüfung der Schätzungen gehe ich davon aus, dass eher mehr als 100 Millionen Wohneinheiten zu viel hat. Teilen Sie diese Einschätzung und wo findet man dazu halbwegs zuverlässige Zahlen?

Lukas Messmer: Ich teile ihre Einschätzung. Die Frage ist auch, wie man «zu viel» definiert. Es gibt ja viele Chinesinnen und Chinesen oder auch Familien, die gleich mehrere Wohneinheiten besitzen. Auf diese Weise haben viele über Jahre ihr Geld parkiert.

Wenn ich aufs Land reise, in «kleinere» Städte, die dann immer noch Millionen Einwohner haben, finde ich immer ganze Stadtviertel mit Hochhäusern, die leer stehen.

Arbeiten Sie als Auslandskorrespondent in einem Büro und werden so durchgehend überwacht oder sind sie frei, mit dem, was sie machen?

Lukas Messmer: Ich teile mit anderen Journalisten hier in Shanghai in Büro. Hier arbeite ich, wenn ich nicht unterwegs bin. Wir sind theoretisch frei, zu machen, was wir wollen. In der Praxis sieht das dann ganz anders aus: Niemand gibt gerne Interviews, Unternehmen zu besuchen ist schwierig, Politiker zu befragen unmöglich.

Einen Tagesschau-Beitrag in China zu produzieren, dauert manchmal ewig.

Was ist momentan die grösste Bedrohung für die Schweiz und Europa, die von China ausgeht und wie kann die Schweiz dagegen präventiv vorgehen? Ich denke hier zum Beispiel an Chinas Entwicklungspolitik in Afrika, die wirtschaftliche Abhängigkeit Europas von China oder die militärische Aufrüstung des asiatischen Landes. Vielen Dank für Ihre Einschätzung.

Lukas Messmer: Ich persönlich sehe keine Bedrohung für die Schweiz durch China.

Inwiefern sind die verschiedenen Strömungen und Meinungen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas für die Bevölkerung wahrnehmbar?

Lukas Messmer: Nein, das ist fast unmöglich. Die Partei zeigt sich nach aussen immer einig. Es gibt Magazine wie das Qiushi, wo die Partei Essays und Sichtweisen veröffentlicht. Über interne Dissonanzen und Meinungsverschiedenheiten kann man nur rätseln.

Der Überwachungs-Staat China ist aus westlicher Sicht ja etwas «Schlimmes». Ich kann jedoch die chinesische Auffassung nicht fassen: Option 1: Die chinesische Bevölkerung ist sich der Tragweite der Überwachung nicht bewusst (was ich nicht hoffe). Option 2: Die chinesische Bevölkerung leidet unter der Überwachung, hat jedoch keine Möglichkeit sich dagegen zu wehren. Option 3: Die chinesische Bevölkerung befürwortet die Überwachung, da die Gläsernheit aus staatlicher Sicht ja auch Vorteile mit sich bringt. Ganz allgemein interessiert mich die Frage, wie die chinesische Bevölkerung über die Regierung denkt.

Lukas Messmer: Ich wähle Option 3. Ich würde sagen, die meisten Menschen sind sich der Überwachung durchaus bewusst. Das ist in ihrem Alltag aber nicht sehr relevant, und wenn, dann auf eine positive Weise. Eine Bekannte von mir hat in einem Park ihr Telefon liegen lassen und dank der Überwachungskameras konnte sie es zwei Stunden später auf einer Polizeistation wieder abholen.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hier kennt aber einfach auch nichts anderes.

Welche Rolle spielt Online-Shopping in China – und wie unterscheidet es sich von Amazon & Co.?

Lukas Messmer: Unsere Assistentin musste soeben laut lachen. Wie wichtig? «Es hat das Einkaufsverhalten der Bevölkerung total umgekrempelt.» Das ist gar nicht so anders wie Amazon, es gibt hier einfach Dutzende Amazons on steroids. Ich kaufe Früchte und Gemüse bei DingDong, das ist ein Online-Supermarkt aus Shanghai, der Heidelbeeren, Joghurt, Gurken und so weiter innerhalb einer halben Stunde an die Haustüre liefert.

Man kann alles online bestellen, spottbillig. Es gibt kein Wochenende. Das System basiert auch auf hunderttausenden Lieferboten, die in jedem Wetter und zu jeder Tag- und Nachtzeit mit E-Scootern alles sofort nach Hause liefern und dabei fast nichts verdienen.

Die chinesische Regierung nähert sich seit längerem Russland an – auch im Hinblick auf die eigenen Ambitionen im Pazifik. Wie sehr sind diese Beziehungen verflochten? Welche Vorteile erhofft sich China davon? Und vor allem: Wie sieht es in der Drei-Staaten-Beziehung Nordkorea, Russland und China aus? Wird der Westen sich auf diese Allianz vorbereiten müssen?

Lukas Messmer: Dazu habe ich eine Reportage für 10vor10 gedreht und habe dazu die Grenzstadt Manzhouli besucht. Sie finden den Bericht hier.

Meine Freundin und ich planen nächsten Frühling einen zwei- bis dreiwöchigen Besuch in China. Momentan besteht meines Wissens bis Ende 2025 keine Visumspflicht für Reisende mit einem Schweizer Pass. Kann man erwarten, dass China diese Regelung verlängert resp. zu welchem Zeitpunkt wird dazu eine Entscheidung getroffen? Vielen Dank für deine Antwort. Vielleicht hast du auch einige Reisetipps mit Regionen, welche wir unbedingt besuchen sollten.

Lukas Messmer: Es ist unklar, ob das verlängert wird. Das ist tatsächlich noch nicht bekannt. Es ist aber auch gar nicht so schwierig, einfach ein normales Visum zu lösen. Und es lohnt sich: China zu besuchen, ist ein Abenteuer und faszinierend. Ich würde unbedingt Peking und Shanghai besuchen und dazwischen aufs Land fahren.

Die Natur in China ist wunderschön, zum Beispiel in der Provinz Qinghai. Die historische Xi’An ist sicher einen Besuch wert. Wenn ihr gerne wandert, empfehle ich euch den Taishan oder den Huangshan.

China strebt zurzeit eine enge Partnerschaft mit Russland im Bereich Verkehr an. Geht die Post, mit Ihrem Projekt in Zusammenarbeit mit der chinesischen Firma und Unterstützung vom Bund nicht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko in der Cyper-Spionage ein? Wie in vielen bekannten Fällen ist man in nachhinein schlauer!

Lukas Messmer: Sie meinen wohl das Projekt der Post in der Ostschweiz mit den Robotaxis. Ich war letzte Woche in Wuhan in Zentral-China, habe diese Autos getestet und mit den chinesischen Managern der Firma gesprochen. Sie haben beteuert, die Daten lokal in Europa zu speichern.

Ich vertraue dieser Aussage eigentlich, auch weil bei dem Projekt auch Postauto federführend ist.

Die Klimaziele von Xi Jinping zu hören, war für mich eine grosse Überraschung. Ist das ein PR-Gag oder findet da echt eine Kehrtwende statt?

Lukas Messmer: Das ist eigentlich nichts Neues. China hat sich seit Jahren für die Einhaltung von Klimazielen und für eine Dekarbonisierung der Wirtschaft ausgesprochen. Die Frage ist eher: Passt das, was sie sagen, dazu, was sie machen? China verbrennt immer noch viel Kohle.

Die Rede von Xi Jinping vor der UN-Generalversammlung hat wohl viele überrascht, weil sie zeigte, wie sich auf der Weltbühne die Rollen umgekehrt haben: Die USA unter Präsident Trump fokussieren wieder voll auf fossile Rohstoffe, während China voll auf Cleantech setzt. Das macht für China auch wirtschaftspolitisch Sinn: China besitzt hier viel Know-How und macht mittlerweile Solarpanels für die ganze Welt.

China denkt langfristig, die USA denkt kurzfristig. Darum: Nein, das ist kein PR-Gag. Nein, es ist keine Kehrtwende.

China hat, soweit ich weiss, eine grosse wichtige Rolle und Kontrolle über seltene Erden. Was ich nicht weiss: werden diese (schon oder künftig) als geopolitisches Druckmittel eingesetzt, ist das quasi das Ass im Ärmel von China?

Lukas Messmer: Dem würde ich so zustimmen. China hat sein Monopol für den Abbau und vor allem auch für die Verarbeitung von seltenen Erden über Jahre aufgebaut. Wie es das nun als geopolitisches Druckmittel einsetzt, sehen wir im Handelskonflikt mit den USA: Die kommen mittelfristig nicht drumherum, seltene Erden aus China zu beziehen.

Bis in die 1970er Jahre hat die USA selbst seltene Erden abgebaut. Später war man dann froh, das China zu übergeben, weil der Abbau extrem toxisch ist. Das rächt sich heute. Der chinesische Präsident Deng Xiaoping hat bereits 1987 beim Besuch des Abbaugebiets von seltenen Erden in der Inneren Mongolei gesagt: «Der Nahe Osten hat Öl, China hat seltene Erden.»

China finde ich faszinierend, aber auch beängstigend. Zur Einordnung: Bekommen Sie als Journalist ganz einfach an ein Visum oder war das kompliziert? Wie frei dürfen sie berichten oder bekommen sie ein «Guide»? Falls ja, wie stellen sie trotzdem sicher, frei berichten zu können? Sind politische Sitzungen und Entscheidungen einsehbar? Müssen sie für alles eine VPN brauchen?

Lukas Messmer: Ich musste einige Hürden überwinden, um mein Journalistenvisum für China zu erhalten. Dazu gehörte ein Interview auf der chinesischen Botschaft in Bern, viele Formulare und viel Geduld. In meinem Fall dauerte es einige Monate. Der Weg dahin war für mich immer klar. Es war einfach sehr mühsam.

Ich muss hier in China mein Visum jedes Jahr erneuern. Laut chinesischem Gesetz kann ich mich im Land frei bewegen und Leute interviewen. Offiziell bekommen wir keine «Guides» zur Seite gestellt. Sie tauchen bei kritischen Reportagen von alleine auf. Wir werden überwacht und der Staat weiss immer, wo wir uns gerade befinden.

Manchmal bucht man ein Zugbillet oder ein Flugticket und wir werden dann am Ziel bereits erwartet. Menschen haben oft Angst, mit uns zu sprechen, weil sie später dann von den Behörden verhört oder bestraft werden könnten. Wenn man als Bürger oder Bürgerin in China mit ausländischen Medien spricht, kann man eigentlich nur verlieren. Wir wissen, dass die chinesische Botschaft in der Schweiz genau beobachtet, was wir publizieren. Es gibt auch Fälle, wo die Regierung dann Visa für Journalisten nicht mehr erneuert hat.

Wie geht es der chinesischen Wirtschaft im Moment? Gegen aussen scheint alles OK zu sein, aber von verschiedenen Quellen im entfernten Kollegenkreis scheint es den Menschen in China teilweise nicht mehr so gut zu gehen wie auch schon ... das heisst, die Wirtschaft ist am Schwächeln. Wie sieht die Zukunft aus?

Lukas Messmer: Das finde ich eine sehr spannende Frage. Einerseits sagen hier alle, ausnahmslos, der Wirtschaft gehe es schlecht. Andererseits ist die chinesische Wirtschaft im dritten Quartal 2025 wieder um 4.8 Prozent gewachsen. Es ist schwierig, vor allem für junge Leute, Jobs zu finden. Ich glaube, die Wachstumsjahre sind einfach vorbei. Die Jahre, wo China einfach gewachsen ist und es allen hier einfach stetig besser ging, sind vorbei.

China investiert auch sehr viel in Robotik und automatisierte Fabriken. Da kommen dann billige Produkte raus, aber die Arbeit, die vor zehn Jahren ein Wanderarbeiter aus dem Hinterland erledigte, die macht dann heute ein Roboter. China wird weiterwachsen, aber viel langsamer und ich frage mich, wie die vielen Menschen, die durch Maschinen ersetzt werden, künftig ihren Lebensunterhalt verdienen sollen.

Wir haben bei unserer China-Reise festgestellt, dass in Hongkong doch noch mehr Freiheit herrscht. z.B. benötigt es im Gegensatz zum übrigen China kein VPN, um auf Apps wie WhatsApp… zugreifen zu können. Zudem muss man um von Shanghai nach Hongkong zu gelangen immer noch einen internationalen Flug nehmen. Wie hat sich Hongkong in den letzten Monaten entwickelt und wird sich weiter entwickeln?

Lukas Messmer: Ich habe selbst in Hongkong studiert. Die Stadt ist heute nicht dieselbe. Klar, das Internet ist weiterhin frei, aber hinter der glitzernden Oberfläche ist die Stadt heute sehr «chinesisch». Ich glaube, sie wird über die nächsten Jahrzehnte langsam, aber sicher, zu einer von vielen mittelgrossen chinesischen Städten werden.

In unseren Medien lesen wir vor allem sehr viel über die Überwachung in China. Ist diese im Alltag wirklich so schlimm oder wird das überspitzt dargestellt? Ich frage mich generell, auch wenn man das wohl nicht pauschal sagen kann, wie es der Bevölkerung Chinas geht.

Lukas Messmer: Ich gehe hier in Shanghai davon aus, dass ich absolut gläsern bin. Das heisst, dass die Behörden, wenn sie wollen, eigentlich mein ganzes Leben rekonstruieren können. Ob und wie sie das tun, das weiss ich nicht. WeChat, die Super-App hier, mit der alle kommunizieren, einkaufen, Stromrechnungen bezahlen, ist nicht verschlüsselt.

In den Strassen hängen überall Überwachungskameras. Die Überwachung ist also nicht überspitzt dargestellt, die ist tatsächlich allgegenwärtig – ich habe mich im Alltag mittlerweile daran gewöhnt und denke nicht mehr wirklich daran.

Auf den sozialen Medien wird alles gelöscht, was die Regierung online nicht haben will.

Was ist dein Lieblingsessen in China? Gibt es für dich interessante Konzerte oder kulturelle Veranstaltungen?

Lukas Messmer: Ich mag: 肉夹馍, den chinesischen Burger, und 凉皮, kalte Reisnudeln mit Sesam und Gurken. Die Küchen Chinas sind unglaublich vielfältig. Im Norden Dumplings, im Süden Suppen, im Zentrum scharf. Zur Kultur: Wer hier in China ein Konzert veranstaltet, muss im vornherein alle Songtexte der gesungenen Lieder einreichen und sie müssen genehmigt werden. Es gibt also durchaus Konzerte, aber halt nur die, die es durch die Zensur schaffen.

Kultur im Untergrund gibt es praktisch nicht. Was ich faszinierend finde: Zur Zeit hören viele junge Chinesinnen und Chinesen Klassik. Sie gehen da auch in kurzen Hosen und Sneakers hin. Der Vibe ist ganz anders als in der Tonhalle in Zürich.

 

SRF4 News aktuell, 16.10.2025, 6:46 Uhr ; 

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