Als Finanzminister von Deutschland und der Schweiz lieferten sich Peer Steinbrück und Hans-Rudolf Merz vor rund 15 Jahren einen öffentlichen Schlagabtausch im Steuerstreit. Im Doppel-Interview blicken sie zurück auf diese Zeit und zwei denkwürdige Aussagen.
SRF News: Wie gut kennen Sie einander eigentlich?
Peer Steinbrück: Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dazu beigetragen haben, dass ich Herrn Merz wieder treffe, nach ungefähr anderthalb Jahrzehnten. Wir haben persönlich immer gut zusammengewirkt. Aber wir waren nicht bei allen Fragen immer gleich einer Meinung.
Sehen Sie das auch so, Herr Merz?
Hans-Rudolf Merz: Absolut. Wir waren zusammen jeweils bei den Tagungen des Internationalen Währungsfonds, zwei Mal in Washington. Und dann haben wir uns in Sachen Bankgeheimnis in Berlin einmal getroffen und gelegentlich natürlich auch in den Medien diskutiert.
Sie haben es geschafft, dass man auch viele Jahre später noch Sätze von Ihnen in Erinnerung hat. Als es 2009 darum ging, ob die Schweiz wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung auf eine schwarze Liste kommt, haben Sie, Herr Steinbrück, gesagt, das sei «wie die siebte Kavallerie vor Yuma, die man ausreiten lassen kann, aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es diese gibt.» Würden Sie das heute noch so sagen?
Peer Steinbrück: Na ja, es war nicht der höchste Ausdruck Metternichscher Diplomatie, die ich da geäussert habe. Aber umgekehrt halte ich daran fest. Es ging darum, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nicht mehr als Kavaliersdelikt zu betrachten. Und die Sache ist jetzt erledigt. Aber damals war es so, dass einige Schweizer Banken im Rahmen ihres Geschäftsmodells die vorsätzliche Einladung an deutsche Steuerbürger parat hatten – zum Steuerbetrug und zur Steuerhinterziehung.
Hans-Rudolf Merz, Sie hielten mit einem legendären Satz seinerzeit dagegen, mit: «Den Angreifern auf das schweizerische Bankgeheimnis kann ich allerdings voraussagen: An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen. Es steht nämlich nicht zur Disposition.» Es stand dann eben doch zur Disposition. Haben Sie sich fundamental geirrt?
Hans-Rudolf Merz: Überhaupt nicht. Ich glaube, wir hatten beide recht, nicht wahr? Herr Steinbrück hat moniert, dass Beihilfe zum Steuerbetrug und zur Steuerhinterziehung ein Straftatbestand ist, der unethisch ist. Er hatte recht. Und in der schweizerischen Rechtsordnung galten die Steuerhinterziehung und der Steuerbetrug sowieso als Straftaten, die, wenn sie zur Anzeige gebracht wurden, auch sanktioniert wurden. Und insofern hat er recht. Aber ich habe auch recht bekommen, denn das schweizerische Bankgeheimnis gibt es heute innerhalb der Schweiz immer noch.
Ich weiss, dass ich da die Empfindlichkeiten von vielen Schweizern getroffen habe.
Für Inländer gilt das Bankgeheimnis weiterhin, für Ausländer nicht mehr. 2017 kam der automatische Informationsaustausch. Haben Sie, Herr Steinbrück, das Gefühl, Sie haben ein bisschen dazu beigetragen?
Peer Steinbrück: Da würde die Eitelkeit mit mir durchbrennen. Aber es war ein Beitrag. Und noch einmal: Ich weiss, dass ich da die Empfindlichkeiten von vielen Schweizern getroffen habe. Trotzdem bleibe ich dabei: Das Ausmass, in dem damals Steuerbetrug und Steuerhinterziehung stattfand, unter Beihilfe von Schweizer Banken, war nicht mehr akzeptabel. Aber dann ist der automatische Informationsaustausch geglückt.
Das Gespräch führte Reto Lipp.