Sie waren die Stars hier in Davos: die 2-Meter-Hünen Wladimir und Vitali Klitschko. Ganz allein haben sie jeweils das WEF-Areal betreten und sich unter die Leute gemischt. Die Ukrainer haben beide eine Box-Karriere hinter sich – natürlich brauchten sie hier in der Schweiz keinen Begleitschutz. Wer sollte sich mit ihnen anlegen?
In ihrem eigenen Land sieht es anders aus. Dort müssten sie um ihr Leben fürchten. Und so wurden die Teilnehmenden am WEF bei jeder Begegnung mit den sich frei bewegenden Klitschko-Brüdern auch automatisch an das Kriegsleid der ukrainischen Bevölkerung erinnert.
Das vergessene Problem: Corona
Der russische Angriffskrieg und die westlichen Sanktionen haben auch das globale Wirtschaftssystem aus den Fugen gebracht. Die aktuell hohen Rohstoffpreise machen Schweizer Firmen und privaten Haushalten gleichermassen zu schaffen. Und als wäre das nicht genug, sind auch die Lieferketten-Probleme in China infolge von Corona-Lockdowns nach wie vor ungelöst. Dazu kommt eine Inflation, bei der niemand weiss, wie lange sie bleiben wird.
Und so mochte man sich dieses Jahr angesichts der ungelösten Krisenherde denn auch nicht so richtig über die horrenden Preise in den Davoser Restaurants und Hotels während der WEF-Zeit aufregen. Sie sind von temporärer Natur und spätestens nach der Abreise der WEF-Gäste wieder passé.
Gedämpfte Stimmung
Zwar bereiteten die frühsommerlichen Temperaturen den Teilnehmenden in Davos offensichtlich Freude – statt Daunenmantel, wie üblich, taten es für einmal ein luftig-leichtes Tenue. Und in den zahlreichen Small Talks stand das Wetter denn auch an oberster Stelle. Doch auch hier wurde die Euphorie im Verlauf des Gesprächs schnell einmal gebremst.
So ist der Grund für den ausserordentlichen Austragungszeitpunkt bekanntlich die Corona-Pandemie. Und auch wenn in vielen Köpfen diese Krise etwas in den Hintergrund geraten ist: Corona und insbesondere der chinesische Umgang mit der Pandemie haben die Wirtschaft weiter fest im Griff – eine Änderung der chinesischen Strategie ist noch nicht absehbar.
Kaum Dialog
Chinesische Vertreterinnen und Vertreter blieben dem WEF grösstenteils fern, die Russen waren nicht erwünscht. Statt mit ihnen wird hier viel über sie gesprochen, was dem WEF-Credo «Dialog» entgegenläuft. Das mag verständlich sein, aber gleichzeitig kontraproduktiv.
Auch wenn das WEF 2022 keine grossen Abkommen und Lösungen mit sich brachte. Eines zumindest erreichte das Forum: Die diesjährige Ausgabe ging unter die Haut und stimmte nachdenklich. Und dafür brauchte es nicht die zahlreichen – teils emotionalen – Referate und Podiumsgespräche. Es genügte ein Small Talk, ein Restaurant-Besuch oder eben eine Begegnung mit den Klitschko-Brüdern.