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Die De-Dollarisierung der Welt «Der grösste Feind des US-Dollars sitzt im Weissen Haus»

Der US-Dollar gilt als Welt-Währung oder wird auch gern als «Leitwährung» bezeichnet. Viele Länder legen ihre Reserven in US-Dollar an oder nutzen ihn für internationale Transaktionen. Doch Ländern wie Brasilien, Russland, Indien oder China schwebt eine De-Dollarisierung vor. Sie wollen sich vom US-Dollar lösen. Ein Fachmann für internationale Handels- und Finanzpolitik sagt, ob das möglich wäre.

Heribert Dieter

Experte für internationale Finanz- und Handelspolitik bei SWP

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Heribert Dieter beschäftigt sich beim Institut für Internationale Politik und Wissenschaft (SWP) mit Fragen zur globalen Finanz- und Handelspolitik. An der Universität Potsdam lehrt er internationale politische Ökonomie, ebenso am National Institute of Advanced Studies in Bangalore (Indien).

SRF News: Wieso wollen sich einige Länder vom US-Dollar als wichtigster Währung lösen?

Heribert Dieter: Die wichtigste Kritik ist, dass die amerikanische Regierung den Dollar als Waffe gegen Russland und gegen China einsetzt. Auch andere Länder wie der Iran, mittlerweile auch BRICS-Mitglied, sind von amerikanischen Sanktionen betroffen. 

BRICS: Schnell wachsende Volkswirtschaften

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Die BRICS-Staaten sind ein Zusammenschluss schnell wachsender Volkswirtschaften. Das Akronym setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der ersten Mitgliedstaaten zusammen: Brasilien, Russische Föderation, Indien, China und Südafrika. Seit 2024 sind auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Äthiopien, Argentinien, Iran, Ägypten und Saudi-Arabien dabei. Die Staaten positionieren sich gemeinsam gegen die aus ihrer Sicht bestehende Dominanz des Westens und der G7.

Langfristig hält Heribert Dieter es für möglich, dass die indische Rupie eine deutlich stärkere Rolle spielen wird und sich mittelfristig zur Konkurrentin für den Dollar entwickeln könnte.

Die Sanktionen laufen über die Währung: Man verbietet die Nutzung der amerikanischen Währung für Finanztransaktionen. Den Staats- und Regierungschefs in der BRICS-Gruppe ist dies seit Langem ein Dorn im Auge. Aber es ist viel leichter, die dominante Rolle des US-Dollars zu kritisieren, als diese Dominanz tatsächlich zu überwinden.

Dollar nach dem Druckvorgang
Legende: Der Dollar als Weltwährung könnte langfristig abgelöst werden. Heribert Dieter sieht die Rupie als mögliche neue Leitwährung. Keystone/lm otero

Wie könnte dies verwirklicht werden?

Das kann nicht per Dekret einer Regierung gemacht werden, sondern es muss das Vertrauen von Millionen von Investorinnen und Investoren, aber auch von Nutzerinnen und Nutzern für den Warenhandel erarbeitet werden, und das ist schwierig. 

Auch der Euro wird als Sanktionswährung genutzt. 

Deswegen fällt die chinesische Währung auf den ersten und vielleicht auch auf den zweiten Blick aus, weil man der Kommunistischen Partei Chinas einfach nicht über den Weg traut. Man muss eine Währung haben, die frei handelbar ist, ohne Kapitalverkehrsbeschränkungen. Es muss eine grosse Wirtschaft sein, die selbst über einen grossen Finanzmarkt verfügt. Und da kommen relativ wenige Länder infrage. 

Warum wäre der Euro nicht denkbar?

Der Euro hat die gleichen Schwächen wie der Dollar. Er wird auch als Sanktionswährung genutzt. Gewiss, der Euro hat in den vergangenen Monaten gegenüber dem Dollar aufgeholt. Aber er ist nicht so bedeutend, wie er es eigentlich beim Vergleich der Wirtschaftsräume sein müsste. Der amerikanische Dollar ist immer noch sehr viel stärker als der Euro, was die Nutzung in grenzüberschreitenden Finanzmarkttransaktionen angeht.

Der grösste Feind des amerikanischen Dollars sitzt gegenwärtig im Weissen Haus. 

Angenommen, es würden sich Staaten vom US-Dollar lösen. Was würde das für den weltweiten Handel bedeuten? 

Wenn es eine Transaktionswährung ist, die einfach anders heisst als der Dollar, hat das zunächst mal keinen grossen Effekt. Schwieriger wird es, wenn es um Investitionen geht. Investorinnen und Investoren sind scheu und verlassen Währungsräume relativ schnell, wenn sie das Vertrauen in eine Währung und die dahinter stehende Regierung verlieren. Genau das sehen wir im Moment. Der grösste Feind des amerikanischen Dollars sitzt gegenwärtig im Weissen Haus. 

Gegenwärtig ist es so, dass Investorinnen und Investoren offenbar das Interesse an Investitionen in den Vereinigten Staaten ein Stück weit verlieren.

Herr Trump hat schon mehrfach deutlich gemacht, dass er einen schwächeren Dollar haben will. Ganz ausgegoren ist das nicht. Einerseits möchte er den Dollar als zentrale Währung erhalten, andererseits soll der Wert des amerikanischen Dollars gegenüber anderen Währungen schwächer sein. 

Kapitalverkehr besteuern – mit Trumps neuem Steuerpaket

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In dem neuen grossen Steuerpaket, das US-Präsident Donald Trump durchs US-Parlament gebracht hat, gibt es Beschränkungen, die ganz neu sind und aus Investorensicht gefährlich. Es gibt in dem Steuerpaket einen Passus, der vorsieht, dass Heimatüberweisungen, sogenannte Remittances, mit 3.5 Prozent besteuert werden. Das ist eine gravierende Veränderung, weil Kapitalverkehr besteuert wird. Die USA selbst haben dies über viele Jahre abgelehnt. «Die Investorinnen und Investoren scheinen die Einschätzung zu vertreten, dass das möglicherweise erst der Anfang ist», sagt der Experte.

Gegenwärtig ist es so, dass Investorinnen und Investoren offenbar das Interesse an Investitionen in den Vereinigten Staaten ein Stück weit verlieren. 

Das Gespräch führte Reena Thelly.

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SRF 4 News, 10.7.2025, 07:45 Uhr ; 

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