Anton Scherrer und Hansueli Loosli standen vor 20 Jahren an der Spitze der führenden Schweizer Detailhandelskonzerne und erzählen vom ewigen Duell der orangen Riesen.
SRF News: Wie haben Sie das Duell zwischen Migros und Coop erlebt?
Anton Scherrer: Wir haben einander natürlich nichts geschenkt. Die Rivalität war gross. Beide haben versucht, Marktanteile zu gewinnen, sei es durch Käufe von Konkurrenten oder durch Diversifikation in verwandte Gebiete.
Hansueli Loosli: Konkurrenten sind wir schon gewesen, aber auf der menschlichen Ebene hat es auch viele Freundschaften daraus gegeben.
Was war im Schweizer Detailhandel damals anders als heute?
Anton Scherrer: Die Konkurrenz ist sicher weniger hart gewesen. Es gab zwar ausländische Konkurrenz wie etwa Carrefour, aber diese war nicht so hart wie heute - mit diesen weltweit erfolgreichen Discountern Aldi und Lidl.
Hansueli Loosli: Bio steckte in den Kinderschuhen und wurde von bestimmten Kreisen belächelt. Online existierte gar nicht, das Internet war damals in seinen Anfängen. Auch Einkaufstourismus gab es nicht wie heute.
Was war damals Ihre grösste Herausforderung?
Anton Scherrer: Nach dem Misserfolg, der die Migros mit der Expansion in Österreich erlitt, war sie wie erstarrt. Wir mussten also nach vorne blicken und die Migros von innen stärken. Dafür haben wir das Leitbild erneuert. Zudem haben wir die Marke Migros vereinheitlicht und das Sortiment neu aufgeteilt: M-Budget als Kampfpreis-Sortiment, die Eigenmarken als günstiges Hauptsortiment und im höhere Preissegment Bioprodukte und einige internationale Marken. Und schliesslich, galt es das Ladennetz auszubauen. So war die Migros nach dem dritten Jahr wieder auf der Gewinnerseite.
Coop wurde 2001 unter Ihrer Federführung zentralisiert. Was gab den Ausschlag dazu?
Hansueli Loosli: Es hat drei Gründe gegeben. Doppelspurigkeiten, die wir im Backoffice, in der Logistik und in der Produktion hatten. Zweitens, dass die Grenze zwischen der Schweiz und der EU durchlässiger wurde und damit auch ein anderes Kundenverhalten absehbar wurde. Und drittens: einige Genossenschaften hatten zu wenig Geld, um zu investieren und hatten nur noch geringe Marktanteile. Die reichen Genossenschaften haben angefangen, sich selbst zu konkurrenzieren.
Migros ist bis heute dezentral aufgestellt. Weshalb hat Migros damals nicht dasselbe wie Coop getan?
Anton Scherrer: Die Migros war ein bisschen anders aufgestellt durch eine starke Autonomie der Genossenschaften. Ich hätte eher über Fusionen von Genossenschaften eine Lösung gesehen. Mein Plan war es, über Fusionen, fünf wirtschaftliche Einheiten zu schaffen. Das hat man damals diskutiert, aber nach meiner Pensionierung einfach 20 Jahre nichts gemacht.
2005 kam Aldi in die Schweiz. 2009 folgte Lidl. Was war Ihre Strategie gegen die deutschen Discounter?
Anton Scherrer: Wir hatten grossen Respekt, weil das weltweit erfolgreiche Discounter waren und wussten, dass es nun ernst gilt. Die Strategie war es, mit unserer Billiglinie M-Budget das Kampfsortiment auszubauen. Gleichzeitig stärkten wir auch das obere Preissegment mit internationalen Marken oder Bio und vor allem Produkte im mittleren Preissegment, damit wir uns mit den Eigenmarken preislich deutlich unter Coop positionieren konnten.
Hansueli Loosli: Es war für uns klar, dass die Discounter kommen. Deshalb haben wir durch die Zentralisierung vorgängig unsere Kosten senken und gleichzeitig in Preise und bessere Leistungen investieren können. So haben wir Prix Garantie lanciert sowie gleichzeitig in den Ausbau des Sortiments mit Frischprodukten und in die Naturaplan-Linie investiert.
Haben die Discounter die Erwartungen erfüllt?
Anton Scherrer: Nicht ganz. Ein wesentlicher Grund ist die Zollbarriere, also dass alle landwirtschaftlichen und alle Frischprodukte aus der Schweiz bezogen werden müssen und damit sind den Möglichkeiten von den Discountern Grenzen gesetzt. Ein zweiter wichtiger Grund ist, dass die Discounter Mühe haben, gute Standorte zu finden.
Hansueli Loosli: Sie haben nie die Marktanteile erreicht, die sie sich wahrscheinlich vorgenommen hatten. Trotzdem können sie damit erfolgreich sein, weil sie wegen des höheren Preisniveaus in der Schweiz eine gute Marge erwirtschaften.
Die Gespräche führten Benita Vogel und Rahel Winkelmann.