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EU-Vertragspaket Besserer Schutz vor Kündigung für Arbeitnehmervertretungen

Der Kündigungsschutz von Arbeitnehmendenvertretungen wird zum europapolitischen Zankapfel. Darüber streiten die Sozialpartner.

Der Kontext: Wenn es nach dem Bundesrat geht, sollen Mitarbeitende, die ihre Kolleginnen und Kollegen in Kommissionen oder in einem Stiftungsrat vertreten, besser vor einer Kündigung geschützt werden. Der Bundesrat hat dies im Rahmen der Lohnschutzmassnahmen zum EU-Vertragspaket vorgeschlagen. Die Wirtschaftsverbände wehren sich gegen diese Massnahme, die Gewerkschaften sind dafür.

Die Aufgabe einer Arbeitnehmervertretung

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Am besten vertreten sind Arbeitnehmende der Industrie, dort haben Personalkommissionen eine lange Tradition. René Gautschi hat über 30 Jahre lang die Arbeitnehmenden der aargauischen KWC vertreten, sich für sie eingesetzt: «Wenn sich Arbeitnehmende nicht trauen, nachzufragen oder sich einzubringen, dann machen wir das als Arbeitnehmervertretungen.»

Sie vermitteln und sie exponieren sich. Bei der KWC lief die Zusammenarbeit gut. Angst, gekündigt zu werden, hatte Gautschi nie: «Man war froh, dass jemand diesen Job macht. Meine Arbeit ist geschätzt worden.»

Er kenne aber auch Beispiele von Arbeitnehmervertretern, die entlassen worden seien. Ihnen wurde nicht wegen ihres Mandats gekündigt, sondern wegen einer Reorganisation, dass also ihre eigentliche Hauptarbeit nicht mehr gebraucht werde. Das sei der Klassiker, sagt Gautschi.

Das soll sich ändern: Wenn ein Unternehmen einem Arbeitnehmervertreter kündigen will, muss es diesen vorab schriftlich informieren und der oder die Betroffene kann eine Aussprache verlangen. Dieses Modell orientiert sich laut Bundesrat an der Branchenregelung (GAV) in der Industrie. Dort funktioniert diese Regelung gut, das bestätigen der Branchenverband Swissmem und die Gewerkschaft Unia. Zudem will der Bundesrat die Sanktionsmöglichkeiten im Falle einer missbräuchlichen Kündigung von heute sechs Monatslöhnen auf künftig zehn erhöhen.

Das sagen die Sozialpartner der Industrie: Den Arbeitgebern gehen diese Massnahmen zu weit, der liberale Arbeitsmarkt würde eingeschränkt. Die GAV-Regelung sei massgeschneidert für die Industrie, sagt Kareen Vaisbrot. Sie leitet den Bereich Arbeitgeberpolitik beim Industrieverband Swissmem: «Plötzlich würde die Regelung auf einen sehr breiten Kreis ausgedehnt, ohne dass es dafür einen Bedarf gibt.» Diese Mediation helfe, eine vernünftige Lösung zu finden, sagt Matteo Pronzini. Er ist verantwortlich für die Industrie bei der Unia und er sieht einen Bedarf: «Heute gibt es keinen gesetzlichen Kündigungsschutz für die Arbeitnehmervertretungen.» Und so könnten die Arbeitnehmervertreterinnen nicht frei arbeiten, weil sie fürchten müssten, abgestraft zu werden.

Darum hat der Bundesrat den Kündigungsschutz aufgenommen: Der Bundesrat will damit den Schutz der Löhne gewähren, so schreibt es das Seco. Mitarbeitende sollen im Betrieb mitwirken und sich exponieren können. Die Schweiz hat sich eigentlich auch verpflichtet, diese Gruppe besser zu schützen, sie wurde mehrfach von der internationalen Organisation für Arbeit dafür gerügt. Mit den neuen Regeln käme der Bundesrat dem jetzt nach. Er kommt damit auch einer langjährigen Forderung der Gewerkschaften nach, um sie beim neuen EU-Vertragspaket mit an Bord zu haben. Darum ist es wenig erstaunlich, dass die Arbeitgeber nicht erfreut sind. Sie sehen die Massnahme nicht als Teil des Lohnschutzes. Bald wird das Parlament darüber befinden.

Rendez-vous, 24.7.2025, 12:30 Uhr; wilh

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