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Finanzkonzern Euroclear Warum die EU die russischen Staatsgelder nicht antastet – vorerst

Der Preis für das russische Staatsvermögen war zu hoch. Das hat auch mit dem Finanzkonzern zu tun, bei dem die Gelder liegen. Unternehmen wie Euroclear arbeiten still und leise – und garantieren der internationalen Finanzwelt reibungslose Transaktionen. Was ist ihr Geschäftsmodell?

Als der deutsche Kanzler Friedrich Merz am Donnerstag in Brüssel vor die Medien trat, klang alles noch so einfach: «Wir stehen im Grunde vor der Wahl: europäische Schulden oder russisches Vermögen.» Für Merz war klar: Die Ukraine bräuchte für den Kampf gegen den russischen Aggressor dringend die finanzielle Unterstützung der EU. Und die EU sollte sich dafür bei Geldern der russischen Zentralbank bedienen – bei jenen Milliarden, die sie bereits kurz nach Kriegsbeginn eingefroren hat.

Friedrich Merz spricht vor Medien.
Legende: Warb in Brüssel gegen EU-Schulden: Bundeskanzler Friedrich Merz. Keystone / Omar Havana

Es kam anders. In der folgenden Nacht haben die Staatsspitzen entschieden, dass die EU für die Ukraine neue Schulden aufnimmt; die russischen Staatsgelder bleiben eingefroren, aber vorerst unangetastet. Das hat auch mit dem Unternehmen zu tun, bei dem das Vermögen liegt: Euroclear.

Was ist Euroclear?

Euroclear ist ein Finanzkonzern mit Sitz in Brüssel. Das Unternehmen kümmert sich darum, dass Transaktionen korrekt abgewickelt werden. Wenn etwa eine Bank an eine andere Bank eine grosse Überweisung tätigt, kontrolliert Euroclear, dass alles korrekt verbucht wird.

Russische Gelder in Brüssel

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Kurz nach Kriegsbeginn im Februar 2022 hat Euroclear Vermögenswerte der russischen Zentralbank eingefroren, auf Grundlage der EU-Sanktionen. Die Rede ist von Papieren im Wert von 185 Milliarden Euro.

Wie die russischen Gelder zu Euroclear kamen? Das liegt an der Vernetzung des internationalen Finanzmarkts. Wenn eine Bank Geld im Ausland investieren will, lässt sie das von einer Clearinggesellschaft absichern. «Notenbanken wie die russische Zentralbank werden heute eigentlich automatisch zur Kundin von Euroclear oder ähnlichen Firmen», sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Jan Baumann.

Die EU nutzt die Zinsen auf dem eingefrorenen russischen Vermögen übrigens schon jetzt – um die Ukraine zu unterstützen.

Man kann das mit der Funktion eines Grundbuchs vergleichen: Euroclear dokumentiert, wenn Vermögenswerte wie Aktien die Besitzer wechseln. Dafür hortet Euroclear keine Geldscheine. Alles läuft elektronisch auf Hochsicherheitsservern, auf denen Euroclear auch Wertpapiere verwahrt. Insgesamt verwaltet Euroclear Vermögenswerte von mehr als 40 Billionen Euro.

Was auf dem Spiel steht

Die EU hat sich nun dagegen entschieden, Kredite an die Ukraine mit russischen Staatsgeldern abzusichern. Das liegt wesentlich am Widerstand aus Belgien. Der belgische Staat hält rund 13 Prozent an Euroclear – und befürchtete, langfristig für einen Rechtsbruch haften zu müssen. Der Zugriff auf russische Gelder – auch wenn er als Reparationszahlung an die Ukraine gerechtfertigt wird – gilt als juristisch heikel.

Russische Vergeltungsmassnahmen

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Letzte Woche hat Russland Euroclear verklagt, offiziell wegen «illegaler und verlustbringender Handlungen». Das Verfahren soll vor einem Moskauer Schiedsgericht laufen.

Hätte sich die EU tatsächlich darauf geeinigt, die Ukraine-Kredite mit den russischen Vermögenswerten abzusichern, dann hätte Russland wohl zu weiteren Gegenmassnahmen gegriffen. Das ist die Einschätzung von Vasily Astrov, Ökonom beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.

Eine gute Nachricht sei der EU-Entscheid deshalb auch für europäische Anleger, die Geld in Russland investieren: «Wäre es wirklich dazu gekommen, dass die russischen Währungsreserven beschlagnahmt worden wären, dann würden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch diese Firmen ihre Aktiva in Russland verlieren.»

Die juristischen Risiken sind aber nicht alles. Hinzu kommt: Das Geschäftsmodell von Euroclear – und damit auch die Abläufe in der Finanzwelt – basieren auf Vertrauen. Dafür braucht es eine zuverlässige Infrastruktur.

Deshalb gilt diese Finanzmarkt-Infrastruktur als systemrelevant, ähnlich wie zum Beispiel die Grossbanken hier in der Schweiz.
Autor: Jan Baumann SRF-Wirtschaftsredaktor

«Die Leute in der Finanzwelt wollen sich sozusagen darauf verlassen, dass die Rohre dicht sind, durch die die Finanzströme fliessen.» So beschreibt es SRF-Wirtschaftsredaktor Jan Baumann. «Deshalb gilt diese Finanzmarkt-Infrastruktur als systemrelevant, ähnlich wie zum Beispiel Grossbanken hier in der Schweiz.» Die müsse immer funktionieren, sonst gebe es starke Bewegungen bis hin zu Panikreaktionen.

Problem gelöst? Wohl eher: Entscheidung vertagt

Die EU tastet die russischen Zentralbank-Milliarden vorerst nicht an. Diese Entscheidung sei mit «geringeren rechtlichen Risiken und politischen Kosten verbunden», sagt Seraina Grünewald, Professorin für internationales Wirtschaftsrecht und Finanzrecht an der Hochschule St. Gallen. Es sei deshalb «eine schnelle und pragmatische Lösung».

Doch was passiert nun mit dem eingefrorenen Vermögen? Die Entscheidung ist wohl eher vertagt. Der belgische Premier Bart De Wever – einer der entscheidenden Kritiker am ursprünglichen Vorschlag – bekräftigte am Freitagmorgen: Die russischen Milliarden blieben eingefroren – und würden am Ende für den Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt.

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