In den letzten Tagen haben verschiedene Gespräche und Verhandlungsrunden stattgefunden, um ein Ende der Kämpfe in der Ukraine zu erreichen. Am Donnerstag steht in Brüssel ein entscheidender EU-Gipfel an. Dort soll die Frage geklärt werden, ob und wie die EU eingefrorene russische Gelder verwenden kann als Finanzhilfe. Osteuropa-Korrespondentin Judith Huber ordnet ein.
Über welches Vorgehen zur Finanzierung der Ukraine wird morgen in Brüssel verhandelt?
Es geht um einen Kredit im Umfang von 90 Milliarden Euro. Gedeckt werden soll dieser Kredit durch Gelder der russischen Zentralbank, die auf unbestimmte Zeit in der EU eingefroren sind. Das heisst, dieses Geld soll als Reparationskredit genutzt werden, als eine Art Vorschuss auf Entschädigungszahlungen, die Moskau nach Ende des Krieges eigentlich leisten müsste. Das Prinzip ist simpel: Russland soll für die Schäden bezahlen, die es in der Ukraine anrichtet.
Was steht bei den Verhandlungen am EU-Gipfel für die Ukraine auf dem Spiel?
Sehr viel. Dieser Kredit würde es der Ukraine ermöglichen, in den kommenden zwei Jahren als Staat zu überleben sowie Rüstungsgüter zu kaufen und selbst zu produzieren. Andernfalls droht dem Land bereits im Frühling der Bankrott. Die Ausgaben für das Militär sind hoch, die wirtschaftliche Lage ist unsicher und der ukrainische Staatshaushalt wird hauptsächlich aus dem Ausland finanziert. Zudem hat der bisher grösste Unterstützer, die USA, die Hilfe drastisch zurückgefahren. Die EU muss nun in diese Lücke füllen.
Wo stehen wir aktuell bei den Verhandlungen?
Es gab sehr viele hoffnungsvolle Äusserungen nach der letzten Verhandlungsrunde in Berlin – auch des ukrainischen Präsidenten. Das hat mich als Beobachterin etwas irritiert. Denn dass die Waffen bald schweigen werden, ist nach wie vor sehr unwahrscheinlich. Denn Russland wird diesen Plan, wie er jetzt vorliegt, kaum zustimmen. Ich interpretiere die Signale so, dass man froh ist, dass es gelungen ist, die USA an der Seite der Ukraine und Europa zu halten. Und man ist froh, einen einigermassen konsolidierten Plan zu haben, aus dem die destruktivsten Punkte entfernt sind, wie sich der ukrainische Präsident Selenski ausgedrückt hat. Ausserdem hat die Ukraine gezeigt, dass sie konstruktiv arbeitet und die Europäer und auch die Amerikaner wollen der Ukraine robuste Sicherheitsgarantien geben und diese sogar mit einer multinationalen Truppe absichern.
Hat Trumps Einsatz seit Jahresbeginn den Ukrainekrieg spürbar vorangebracht?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Es gibt zwei mögliche Antworten darauf, die ich der innerukrainischen Diskussion entnehme: Die erste ist, dass die Verhandlungen Scheinverhandlungen waren und nichts gebracht haben – im Gegenteil. Sie haben Zeit und Energie gekostet und haben vom Wesentlichen abgelenkt, nämlich die Ukraine so entschieden zu unterstützen, dass der Kreml einsieht, dass er nicht gewinnen kann. Stattdessen haben die USA ihre Unterstützung der Ukraine massiv zurückgefahren, sie haben nie starken Druck ausgeübt auf Moskau, sondern die Ukraine in die Zange genommen.
Die andere Antwort ist, dass der Impuls von US-Präsident Trump, Frieden zu wollen, ein ehrlicher ist; dass die vielen Gespräche eine Dynamik hervorgebracht haben, die vorher nicht da war und man immerhin zahlreiche Pläne erarbeitet hat, wie man aus diesem Krieg herauskommen könnte. Doch man muss sich auch die Frage stellen: Warum sollte der Kreml aufhören, wenn er doch nach wie vor von seinem Sieg überzeugt ist?