Bei vielen europäischen Fluggesellschaften ist Sparen angesagt – als Folge davon nimmt der Druck auf das Flugpersonal und die Pilotinnen zu. Dies zeigt eine Studie der Universität Gent im Auftrag der EU. Die Studienverantwortlichen warnen vor negativen Auswirkungen auf die Flugsicherheit. Der Aviatik-Experte Stefan Eiselin ordnet die Ergebnisse ein.
SRF News: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Studie aus Belgien?
Stefan Eiselin: Zwischen den Fluggesellschaften gibt es grosse Unterschiede. Es gibt solche, welche der Sicherheit allerhöchste Priorität einräumen und andere, die vielleicht Abstriche machen. Grundsätzlich aber gibt es in Europa und der Schweiz starke Aufsichtsbehörden, die jeden Mangel sofort rügen. Die Luftfahrt ist hier also sehr sicher. Andererseits steigt die Nachfrage nach Flügen weiter an und es gibt viele kleinere Airlines, die mit den tiefen Margen kämpfen und deshalb vielleicht da und dort Abstriche machen.
Laut Studie fühlt sich das Flugpersonal oft übermüdet. Gefährdet das möglicherweise die Flugsicherheit?
Es ist wie überall: Übermüdung per se ist nicht unmittelbar gefährlich. Es wird aber dann gefährlich, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Wenn beispielsweise eine technische Panne passiert, muss man unmittelbar und korrekt darauf reagieren.
Wenn ein Problem auftaucht, muss man hundertprozentig da sein.
Wenn auf einem Flug ein Problem auftaucht, muss man hundert Prozent da sein und das abrufen können, was man geübt hat. Das ist schwierig, wenn man total übermüdet, gestresst oder krank ist.
Welche Grundpfeiler braucht es, um die Sicherheit während eines Fluges zu gewährleisten?
Grundsätzlich ist festzuhalten: In Europa haben wir in den allermeisten Ländern eine sehr hohe Qualität im Flugverkehr mit einer starken Aufsicht. Es ist aber auch so, dass in der Flugbranche ein starker Wettbewerb herrscht, mit oftmals kleinen Margen.
Jeder Airline liegt die Sicherheit am Herzen – denn ein Unfall kann für sie eine existenzielle Gefahr darstellen.
Kleinere Airlines sind deshalb womöglich versucht zu sparen. Sicher aber liegt jeder Airline die Sicherheit am Herzen. Denn wenn sie einen Unfall hat oder sogar einen Absturz, kann das für eine Fluggesellschaft eine existenzielle Gefahr darstellen. Das vor allem dann, wenn bei der Untersuchung herauskommen sollte, dass bei der Sicherheit geschlampt wurde – womöglich wegen Sparmassnahmen.
Gerade wurde bekannt, dass die Lufthansa-Tochter Swiss 160 Millionen Franken einsparen müsse. Könnte dies auch auf Kosten der Sicherheit geschehen?
Ich kann mir das nicht vorstellen und wünsche es mir auch nicht. Klar ist: Sparen ist immer hart für das Personal. Denn es bedeutet, dass viele Dinge hinterfragt und die Abläufe womöglich verändert werden. Wenn es im Zuge solcher Umstrukturierungen zu Abstrichen kommt, ist das immer schwierig.
Bei der Lufthansa-Gruppe kann man sicher noch etwas sparen, ohne dass gleich die Sicherheit gefährdet sein muss.
Meistens kann man in einem Konzern immer noch etwas einsparen, indem man Synergien und Doppelspurigkeiten ausmerzt. Um beim Beispiel Swiss zu bleiben: Die Lufthansa-Gruppe ist ein sehr komplizierter Konzern mit hybriden Strukturen und unklaren Zuständigkeiten. Und da kann man sicher noch etwas sparen, ohne dass gleich die Sicherheit gefährdet sein muss.
Das Gespräch führte Peter Hanselmann.