Um was geht es? Die Verhandlungen für ein Abkommen zogen sich seit Jahren hin. Jüngst stieg aber der Druck auf den Bundesrat, die Verhandlungen voran zu treiben. Denn die EU hatte sich Ende 2024 mit den Mercosur-Staaten auf ein Handelsabkommen geeinigt und Schweizer Exporteure wollen im Handel mit Südamerika konkurrenzfähig bleiben.
Wirtschaftliche Bedeutung: Aktuell macht der Export in den Mercosur-Raum lediglich 1.4 Prozent des Schweizer Gesamthandels aus. Die Mercosur-Staaten belegen Schweizer Exportprodukte noch mit Zöllen von bis zu 35 Prozent. Durch das Abkommen werden rund 95 Prozent der Schweizer Ausfuhren von Zöllen befreit. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco geht davon aus, dass das Freihandelsabkommen Zolleinsparungen von bis zu 180 Millionen Franken pro Jahr ermöglicht. Dies sei neben den Abkommen mit der EU und mit China das grösste Zolleinsparungspotential aller Schweizer Freihandelsabkommen und bewege sich etwa in demselben Rahmen wie das Abkommen mit Indien.
Exportorientierte Branchen sehen Wachstumspotential: In den letzten zehn Jahren hat insbesondere die Pharma-Industrie immer mehr in den Mercosur-Raum exportiert. Der Warenwert der exportierten Güter hat sich von rund 1.2 Milliarden im Jahr 2014 auf ca. 2.4 Milliarden im Jahr 2024 verdoppelt. Anders die Situation der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie): Die Exporte sanken in den letzten zehn Jahren um rund 30 Prozent. «Länder wie Brasilien und Argentinien litten immer wieder unter Rezessionen, weshalb der Handel mit Industrie-Gütern stockte», sagt Stefan Brupbacher, Direktor des Branchenverbandes Swissmem. Umso wichtiger sei nun ein Abkommen mit Zollreduktionen für die Schweizer Tech-Industrie. «Der Mercosur ist für uns mit rund 280 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten ein Markt mit riesigem Wachstumspotential.»
Die Schweizer Landwirtschaft ist kritisch: Die Importe aus den Mercosur-Staaten umfassen vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch, Soja oder Kaffee. Mit dem Freihandelsabkommen gewährt die Schweiz den Mercosur-Staaten nun eine Importmenge von bis zu 2 Prozent des Gesamtkonsums. «Selbst diese Importmenge setzt die Schweizer Landwirtschaft unter Druck», sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands. Daher fordere der Verband abfedernde Begleitmassnahmen. «Wir denken beispielsweise an Beiträge im Weinbau oder für den Stallbau, damit wir unsere Kosten senken können.» Vorteile erkennt der Bauernverband etwa beim Schutz für die Ursprungsbezeichnungen für «Gruyère» und «Sbrinz».
Signalwirkung in unsicheren Zeiten: US-Präsident Donald Trump sorgt mit seiner Handelspolitik weltweit für grosse Unsicherheit. In diesem Umfeld habe ein Freihandelsabkommen eine wichtige Signalwirkung, erklärt Joseph Francois, Direktor des Forschungszentrums World Trade Institut. «Die Schweiz zeigt mit diesem Abkommen, dass sie sich diversifiziert und Zugang zu neuen, wachstumsstarken Märkten sucht», sagt der Experte. Und der Mercosur sei, nach den USA, der grösste Handelsraum, mit dem die Schweiz noch ein Handelsabkommen schliessen konnte.
Wie es weiter geht: In trockenen Tüchern ist das Abkommen aber noch nicht. Es soll in den nächsten Monaten unterzeichnet werden. Danach muss das Parlament darüber abstimmen – und bei einem Referendum gar das Volk.