Der Amazonas-Regenwald verschwindet rasant. Er wird abgeholzt oder brandgerodet, um auf dem Land Rindfleisch, Sojabohnen oder Palmöl zu produzieren, die man auch in der Schweiz konsumiert. Mit dem Regenwald verschwindet auch der Lebensraum von Indigenen.
Nara führt eine Delegation von Indigenen an, die derzeit durch Europa und die Schweiz reist. Die kleine, selbstbewusste Frau mit Federohrringen kommt aus dem Nordosten Brasiliens, wo der Regenwald besonders bedroht ist.
Die Delegation verfolgt das Ziel, die geplanten Handelsabkommen mit Mercosur-Staaten zu sistieren. «Das Abkommen trägt zum institutionellen Genozid der Indigenen und zur Umweltzerstörung bei», kritisiert Nara.
Allein die Ankündigung, dass das Abkommen zustande kommen könnte, sei ein Signal für die brasilianische Wirtschaft. Sie stelle sich auf mehr Import und Export ein. «Das bedeutet für die Indigenen, dass es auch mehr Attacken und Morde in den indigenen Territorien geben wird.»
Um die Indigenen zu schützen, fordert die Delegation spezielle Klauseln in dem geplanten Handelsabkommen zwischen Efta-Ländern wie der Schweiz und den vier Mercosur-Ländern. «Diese Klauseln müssen den Export von Produkten aus Konfliktgebieten, also indigenem Territorium, verbieten», sagt die 41-Jährige. Vor allem müssten die Klauseln einklagbar sein.
Doch das Freihandelsabkommen, das derzeit in der rechtlichen Abstimmung ist, sieht das nicht vor. Es verpflichte zwar die Staaten, völkerrechtliche Verpflichtungen wie das Pariser Klimaschutzabkommen oder Abkommen zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung einzuhalten, sagt Markus Schlagenhof, der den Vertrag für das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit ausgehandelt hat.
Es sei sogar noch mehr vorgesehen: «Mit dem Abkommen gibt es erstmals einen Dialog über nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft. Zudem wird auf die Menschenrechtsinstrumente und die Grundsätze der sozialen Verantwortung von Unternehmen verwiesen.»
Auf Nachfrage sagt Schlagenhof aber auch: Die Ansprüche aus diesen Absichtserklärungen könnten nicht eingeklagt werden. Und das sei durchaus gewollt: «Wir sind überzeugt, dass dies der falsche Ansatz ist. Wir setzen auf Dialog und Kooperation – wie auch die EU.»
Den Einwand, dass im Freihandelsabkommen der Schweiz mit Indonesien der Import von Palmöl sehr wohl direkt an nachhaltige Produktionsbedingungen geknüpft worden sei, wischt er vom Tisch: Das sei nur ein einziges Produkt gewesen und damit einfacher – anders als im Fall der Mercosur-Länder mit diversen Produkten.
Unterstützung bekommt das Seco von der Wirtschaft: «In Freihandelsabkommen gibt es in der Regel keine verbindlichen Normen, also Nachhaltigkeitskapitel», sagt Jan Atteslander vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse.
Linke drohen mit Referendum
Ein Handelsabkommen sei aber eine gute Grundlage, um später über Nachhaltigkeit zu sprechen. Vorrangig sei es vor allem wichtig gewesen, das Mercosur-Abkommen schnell abzuschliessen: «Wenn wir dieses Abkommen nicht hätten, unsere Konkurrenten aber schon, hätten wir einen grossen Wettbewerbsnachteil.»
Doch es gibt starken Gegenwind gegen das Abkommen – nicht nur von Indigenen. Auch SP und Grüne in der Schweiz haben inzwischen das Referendum angedroht, wenn Umwelt- und Klimaanliegen im Abkommen nicht stärker berücksichtigt werden. Dabei ist der Vertragstext noch nicht einmal öffentlich.