Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Führung und Aktienkurs Nestlé: Der Gigant hat Probleme

277'000 Angestellte, 91 Milliarden Franken Umsatz – Nestlé ist eines der wichtigsten Unternehmen der Schweiz. Mit seinen Produkten von Wasser, über Pasta und Kaffee bis zu Tiernahrung gehört der Lebensmittelkonzern zum Alltag sehr vieler Menschen.

Glas-Verpackungen mit Nescafé Gold.
Legende: Nestlé gehört zum Alltag vieler Konsumentinnen und Konsumenten. Getty Images/Igor Golovniov

Kontroversen gehörten ebenfalls stets zum Unternehmen. In letzter Zeit hat es sich aber auf mehreren Ebenen in grössere Probleme manövriert.

1. Die unstete Führung

Die Konstante an der Spitze des Unternehmens hiess in den vergangenen Jahren Paul Bulcke. Nun hat auch der Nestlé-Präsident seinen vorzeitigen Rücktritt verkündet. Sein Konzernchef Laurent Freixe hatte eine Beziehung zu einer direkt Unterstellten verheimlicht – und Paul Bulcke hat offenbar zu spät gehandelt. Bereits vor Freixe musste Konzernchef Mark Schneider gehen. Dieser hatte, so sieht das ZKB-Analyst Patrik Schwendimann, das Unternehmen zu sehr auf die kurzfristigen Interessen der Aktionäre und Aktionärinnen ausgerichtet. Dabei sei die Nahrungsmittelindustrie keine komplizierte Industrie: «Es geht um starkes Marketing, um gute, überlegene Produkte. Und das wurde bei Nestlé etwas vernachlässigt.» Das neue Duo aus Konzernchef Philipp Navratil und Verwaltungsratspräsident Pablo Isla wird sich jetzt auf dieses Kerngeschäft rückbesinnen müssen.

 2. Das zu grosse Portfolio

Nestlé ist als grösster Nahrungsmittelkonzern der Welt sehr breit aufgestellt. Zu breit, finden Investoren. Sie fordern eine Fokussierung auf wenige Dutzend Kernmarken. Heute sind es mehr als 2000 unterschiedliche Marken. Am meisten verdient das Unternehmen in den Bereichen Kaffee, Heimtiernahrung und Nutrition (Babynahrung, Nahrung zur Unterstützung der Gewichtsreduktion usw.). Wasser und Süsswaren spielen inzwischen eine geringere Rolle und tragen gemeinsam nur noch zu 13 Prozent des Umsatzes bei.

 

 3. Das schlechte Image

Nestlé hat eine lange Geschichte an Kontroversen. Zwei Beispiele: In den 1970er und 1980er Jahren formierte sich ein internationaler Widerstand gegen die Babymilch-Ersatzprodukte des Konzerns. Nestlé wurde vorgeworfen, diese Produkte zu aggressiv zu vermarkten, und noch schlimmer: Mütter seien zu wenig aufgeklärt worden und hätten verunreinigtes Wasser zur Zubereitung verwendet. In neuerer Zeit geriet Nestlé vor allem für seinen Umgang mit Trinkwasser in die Kritik. Dem Konzern wurde vorgeworfen, in Ländern mit Wasserknappheit dieses abzupumpen, um es in anderen Weltgegenden zu verkaufen. Das Unternehmen reagierte jeweils mit Rechtfertigungen und Image-Kampagnen. Nestlé ist zwar die wertvollste Marke der Schweiz und gehört in Rankings zu den innovativsten Unternehmen, konnte sich aber nie einer besonderen Beliebtheit erfreuen.

«Kindermehl»: Wie alles begann

Box aufklappen Box zuklappen
Schwarz-weiss-Bild eines Mannes mit langem Bart.
Legende: Henri Nestlé lebte von 1814 bis 1890. Ursprünglich trug er keinen Akzent in seinem Namen, fügte ihn aber mit der Auswanderung in die französischsprachige Schweiz hinzu. Er war eines von 14 Kindern und stammte aus Frankfurt. Keystone

1867 entwickelte der Apotheker Henri Nestlé eine neuartige Säuglingsnahrung, nannte sie «Henri Nestle's Kindermehl» und fusioniert mit der Anglo-Swiss Condensed Milk Company. In der Schweiz war viel frische Milch vorhanden und so entstand Europas erste Produktionsstätte für Kondensmilch. Ab 1905 begann Nestlé, Schokolade zu verkaufen. Auf diesen beiden Standbeinen wuchs Nestlé in den kommenden Jahrzehnten stark.

4. Der taumelnde Aktienkurs

Nestlé hat seit 2022 rund 40 Prozent an Börsenwert verloren. Die Aktie fiel von knapp 130 auf gegenwärtig gut 70 Franken. Das ist laut Investoren ein Zeichen für eine Vertrauenskrise. ZKB-Analyst Patrik Schwendimann weist darauf hin, dass rund ein Achtel des gesamten Schweizer Aktienmarkts aus Nestlé besteht. Der Kurszerfall ist auch für die Allgemeinheit ein Problem. Denn über die Pensionskassen halten praktisch alle Schweizer und Schweizerinnen Anteile an Nestlé. «Jeden hundertsten Franken investieren die Pensionskassen in Nestlé», sagt Patrik Schwendimann. Seiner Ansicht nach ist Nestlé zurzeit «klar unterbewertet».

Diskutieren Sie mit:

SRF Börse, 17.09.2025, 19:25 Uhr; noes

Meistgelesene Artikel