Ob Pizza, Sushi oder Indisch – die Velokuriere mit ihren auffälligen orangefarbenen oder pinken Rucksäcken bringen die Bestellung direkt zur Haustür. Am Wochenende blieb es in Hamburg jedoch auffällig still auf den Strassen.
Über 100 Fahrerinnen und Fahrer des Lieferdienstes Lieferando – in der Schweiz unter dem Namen Just Eat bekannt – legten aus Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen ihre Arbeit nieder. Auch Kuriere von Uber Eats, Smood und eben Just Eat in der Schweiz meldeten in der Vergangenheit Missstände.
Die Arbeitsbedingungen seien «natürlich nicht ideal», sagt Nicolas Palacios, Doktorand an der ETH Zürich. Er beschäftigt sich derzeit für seine Dissertation mit Velokurierinnen und -kurieren in Spanien und Deutschland, kennt aber auch die Situation in der Schweiz.
Es gebe Fahrerinnen und Fahrer, die mit den Essenslieferungen einen anständigen Lebensunterhalt verdienten. Aber es komme nicht nur darauf an, wie hart man arbeite, sondern, ob die Firma einen arbeiten lasse und zu welchen Bedingungen.
Unterschiede im Arbeitsverhältnis
In der Schweiz gibt es je nach Lieferdienst verschiedene Arbeitsverhältnisse. Die Firma Just Eat, die vor allem in der Deutschschweiz bekannt ist, stellt ihre Fahrerinnen und Fahrer an. Just Eat zahle schweizweit über dem höchsten Mindestlohn: knapp 27 Franken pro Stunde, sagt das Unternehmen auf Anfrage.
Ähnlich ist es beim Lieferservice Smood, bei dem ebenfalls alle Lieferantinnen und Lieferanten direkt angestellt sind. Auf Anfrage heisst es, ihre Arbeitsbedingungen seien durch einen Gesamtarbeitsvertrag geregelt, mit einem Stundenlohn von 23 Franken – sofern der kantonale Mindestlohn nicht höher sei –, die üblichen Sozialleistungen plus Trinkgeld.
Bei Uber Eats funktioniert das Modell anders. Entweder man meldet eine Einzelfirma an – oder sich bei einem Subunternehmen. Auf Anfrage hat das Unternehmen keine konkreten Anstellungsbedingungen mitgeteilt, einzig, dass die Kuriere das Trinkgeld behalten könnten.
Woran sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die zum 36-stündigen Warnstreik in Hamburg aufgerufen hatte, ebenfalls stört, ist der ersatzlose Wegfall von Boni, die die Fahrerinnen und Fahrer bekommen, wenn sie beispielsweise Essen bei Regen liefern, eine bestimmte Anzahl Auslieferungen schaffen, besonders viele Stunden arbeiten und so weiter.
Das könne zu riskantem Fahrverhalten führen, schreibt die Gewerkschaft in einer Mitteilung. «Für viele Fahrerinnen und Fahrer – besonders für die rund 50 Prozent, die mit dem Auto ausliefern – bedeutet das: ab 1. August 2025 erstmal nur noch Mindestlohn.»
Was es braucht
Teilweise sehr niedriger Lohn, variierende Boni, gefährliche Bedingungen auf der Strasse, Abhängigkeit bei den Aufträgen: Die Probleme der Essenskurierinnen und -kurieren seien vielfältig, sagt Palacios.
Um die Probleme zu lösen, brauche es weiterhin gewerkschaftliche Arbeit, die faire Arbeitsverträge für die Branche aushandeln müsse, und einen Austausch unter den Beschäftigten selbst. Sie würden sich nicht kennen und könnten sich kaum über Probleme austauschen. Es bedürfe einer Art Betriebsräte, findet Palacios, sodass die vielen tausend Essenslieferantinnen und -lieferanten in der Schweiz selbst effektiver auf die Missstände aufmerksam machen könnten.