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Geahndet wird im Nachhinein Kurzarbeit als Gelegenheit zum Schummeln

Tausende Anträge für Kurzarbeitsentschädigung müssen geprüft werden. Denkbar, dass einige Firmen die Gunst der Stunde nutzen.

Jeder vierte Angstellte in der Schweiz ist momentan von Kurzarbeit betroffen. Die Firmen von mindestens 1.3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben beim jeweiligen kantonalen Wirtschaftsamt das entsprechende Gesuch gestellt. Und täglich werden es mehr.

Boris Zürcher macht sich keine Illusionen. Der Arbeitsmarkt-Verantwortliche beim Seco sagte kürzlich: «Wir haben im Moment die Situation, dass bereits bei der Einreichung des Gesuchs, dieses nur noch sehr oberflächlich – nicht kontrolliert, sondern – plausibilisiert wird. Dann erfolgt bereits die Zahlung.»

Gesuche nicht auf Herz und Nieren geprüft

Mit andern Worten, die Zeit drängt, die Ämter werden von Gesuchen überschwemmt und können diese nicht auf Herz und Nieren prüfen.

In Basel-Stadt etwa habe man das Hundertfache der üblichen Anträge zu bearbeiten, sagt Nicole Hostettler, die Leiterin des dortigen kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit. Und es kämen täglich neue hinzu. Um die Flut zu bearbeiten, habe man Personal aus anderen Bereichen umgeschult, damit die Betriebe möglichst schon für die April-Löhne entschädigt werden könnten.

Gesuche würde aber nicht bloss durchgewinkt, sagt Hostettler: «Es gibt eine erste Prüfung, ob dieses Unternehmen überhaupt berechtigt ist, Kurzarbeit zu beziehen. Wenn sie diesen positiven Vorentscheid haben, dann müssen sie auf ihrer Arbeitslosenkasse begründen, wie viele Personen effektiv in welchem Ausmass betroffen sind. Das ist dann die zweite Kontrolle. Selbstverständlich werden im Nachhinein auch Nachkontrollen, und wo nötig wieder Rückforderungen erfolgen.»

Massive personelle Aufstockung

Ähnlich wie in Basel-Stadt klingt es auch in anderen Kantonen. Im Kanton Bern gingen über 10'000 Gesuche für Kurzarbeit ein. Man habe die Schalter der regionalen Arbeitsvermittlungs-Ämter geschlossen und die Mitarbeitenden würden nun Kurzarbeits-Gesuche bearbeiten.

Und in Luzern heisst es beim Wirtschaftsamt, wo normalerweise eine Person mit 20 Prozent an Kurzarbeitsgesuchen arbeite, seien nun 14 Vollzeit-Angestellte mit dieser Aufgabe beschäftigt.

In der Waadt sind bereits 15'000 Gesuche eingegangen, so die Behörden. Auch dort konzentriere man sich nun in erster Linie auf die rasche Beantwortung dieser Gesuche. Doch die Kontrollen würden kommen – in einigen Monaten, wenn die genauen Abrechnungen vorlägen.

Hinweis auf Whistleblower-Meldestelle

Klar ist: Es wird Missbräuche geben – das ist bei einem Hilfspaket in der Höhe von mehreren Dutzend Milliarden Franken unvermeidlich. Die Kurzarbeits-Abrechnungen bei den Arbeitslosenkassen werden nicht alle gründlich geprüft werden können; dafür wäre eine genaue Kontrolle der Lohn-Buchhaltungen und der Stundenabrechnungen jedes einzelnen Unternehmens nötig.

Bei den Behörden hofft man aber auf die Einsicht, dass es für eine Firma, die beim Mogeln ertappt wird, erstens teuer werden könnte – und dass ihr zweitens ein grosser Reputationsschaden entstünde.

Das Seco jedenfalls hat auf seiner Website bei der Rubrik Kurzarbeit einen Link zur Whistleblower-Meldestelle des Bundes aufgeschaltet. Auch dies wohl ein subtiler Hinweis darauf, dass man gewillt ist, allfällige Missbräuche aufzudecken und zu ahnden.

Echo der Zeit, 06.04.2020, 18:00 Uhr ; 

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