Es gebe Grund, gegenüber der Facebook-Währung Libra skeptisch zu sein, meint Barry Eichengreen, ein renommierter Experte für Geld- und Finanzsysteme von der Universität Berkeley in Kalifornien. «Für Industrieländer bietet Libra keine Vorteile». In Ländern wie den USA oder der Schweiz gebe es verlässliche Währungen. Konsumentinnen und Konsumenten könnten dort schon jetzt kostengünstig Geld überweisen.
Facebook will denn auch vor allem den vielen Menschen in Entwicklungsländer Zugang zum Finanzsystem ermöglichen, die noch kein Bankkonto haben. Auch dieses Versprechen müsse man hinterfragen, sagt Eichengreen, denn: «In armen Ländern wie Kenia oder Afghanistan gibt es bereits Dienste wie M-Pesa.»
Dabei brauche man nur ein Handy und einen Telekom-Vertrag, um Geld zu überweisen. Allerdings sind solche Dienste oft teuer. Könnte ein neuer Konkurrent wie Libra nicht helfen, die Kosten zu drücken? «Wettbewerb ist zwar gut. Wenn mit dem neuen Wettbewerber Libra aber gleichzeitig Steuerhinterzieher und Geldwäscher ein neues Instrument in die Hand bekommen, wäre das schlecht».
Auch in der EU und Ländern wie den USA gibt es kräftigen Gegenwind gegen Libra. Trotzdem hält Facebook nach wie vor an dem Plan fest, mit der neuen globalen Digitalwährung nächstes Jahr zu starten. «Niemand will Libra nur deshalb vom Markt verbannen, weil Facebook dahintersteckt und der Konzern immer wieder in Datenskandale verwickelt ist», betont der Ökonom.
Globale Alternative zum Dollar?
Aber das soziale Netzwerk sei eine grosse, weltumspannende Plattform. Facebook könne mit Libra innerhalb kurzer Zeit sogar eine globale Alternative zum Dollar etablieren, meint Barry Eichengreen. «Schon deshalb ist es wichtig, genauer hinzuschauen».
Eine globale Alternative zum Dollar: Könnte das nicht auch ein Vorteil sein? In einer Zeit, in der die Regierung Trump den Dollar als Waffe missbraucht, um in Eigenregie Sanktionen durchzusetzen, beispielsweise gegen den Iran? Und sich kaum ein Land – weder die EU, noch China – dagegen wehren kann, weil kein Land riskieren will, von Dollar-Geschäften ausgeschlossen zu werden?
«Mehr Konkurrenz für den Dollar wäre gut», sagt er. Aber die bessere Konkurrenz wäre nicht Libra, sondern der Euro. «Die Gemeinschaftswährung ist ja ursprünglich lanciert worden, um dem Dollar Konkurrenz zu machen».
«Libra als Gefahr für Finanzstabilität»
Dass der Euro auch 30 Jahre nach dem Start noch weit hinter der Leitwährung Dollar hinterherhinke, liege vor allem daran, dass der Euro nach der Finanzkrise in eine existenzielle Krise gerutscht sei, sagt Eichengreen. Aber: «Das ist jetzt vorbei.»
Die Finanzkrise habe auch gezeigt, wie schnell eine Währung abstürzen könne. Was wäre, wenn Libra eines Tages unter Druck geraten sollte? Wer würde die Digitalwährung stützen? «Die traditionellen Notenbanken sicher nicht», so Eichengreen.
Der Ökonom hält die geplante Digitalwährung daher für eine potenzielle Gefahr für die Finanzstabilität. Die Chancen, dass das Finanzsystem jemals durch Libra unter Druck kommt, dürften wegen des grossen Widerstands vieler Länder gegen die Digitalwährung ohnehin eher deutlich gesunken sein.