Quizfrage: Wie viel bezahlen wir heute für einen Einkaufswagen voller Konsumgüter, der vor 13 Jahren für 101.50 Franken zu haben war? A: mehr? B: gleich viel? C: weniger? Antwort C, es sind 50 Rappen weniger.
Das mag überraschen. Gefühlt ist über die Jahre manches teurer geworden: die Krankenkassenprämien, insbesondere. Aber auch Wohnungsmieten. Doch die Preise für Konsumgüter eines Warenkorbs, mit dem die Länder ihre Teuerung messen, sind in der Schweiz stabil bis leicht rückläufig. Und dies nicht erst seit der Corona-Pandemie. Sie sind es seit Jahren. Von Inflation, von aufgeblasenen Preisen, kann jedenfalls keine Rede sein. Im Gegenteil.
Schweiz als Land der «Negativ-Teuerung»
Die Schweiz ist nicht nur das Land der Negativzinsen. Sie ist – langfristig gesehen und international einzigartig – auch das Land der Negativ-«Teuerung». Während sich der eingangs erwähnte Einkaufswagen in der Schweiz seit 2008 nämlich um 50 Rappen verbilligt hat, ist er etwa in Deutschland 20 Prozent teurer geworden. In den USA ebenso.
Die Langfristbetrachtung zeigt: Inflation ist ein Phänomen, das nicht die ganze Welt gleichermassen treffen muss. Wenn die USA nun vier Prozent Teuerung vermelden oder die Europäische Zentralbank erstmals seit langem über Inflation spricht, bedeutet das für die Schweiz noch keinen Gezeitenwechsel. Auch wenn die Schweizer Jahresteuerung nach 14 negativen Monaten erstmals wieder ihrem Namen gerecht geworden ist: mit einem Plus von 0,3 Prozent.
Gewiss, das Vorzeichen hat gekehrt. Vor allem Güter aus dem Ausland sind ein gutes Prozent teurer geworden. Ein Teil dieses Preisanstiegs dürfte den teureren Transportkosten geschuldet sein. Und diese könnten die Jahresteuerung auch in den nächsten Monaten noch etwas anschieben.
Höhere Teuerung dringend erwünscht
Doch nur schon eine Normalisierung in Richtung einer geldpolitisch wünschenswerten Jahresteuerung von etwa zwei Prozent ist aktuell nicht in Sicht. Zwei Prozent pro Jahr beim Landesindex der Konsumentenpreise würden es der Nationalbank erlauben, die – noch vor wenigen Jahren undenkbaren – Negativzinsen endlich hinter sich zu lassen. Dadurch liesse sich nicht bloss der Anlagenotstand unserer Pensionskassen lindern. Auch die aufgeblasenen Preise für Wohneigentum und Aktien etwa würden nicht mehr weiter angeheizt.
Bis zum Normalzustand bleibt ein weiter Weg
Allerdings: Ausser bei den importierten Waren gibt es zurzeit wenig, das in Richtung zweiprozentiger «Normalteuerung» deutet. Noch scheint es – auch bei wachsender Nachfrage – genügend Kapazitäten zu geben in der Wirtschaft, um die Produktion zu steigern. Und nicht die Preise. Auch von den Löhnen her ist kein Preisschub zu erwarten. Schliesslich fürchtet sich die Schweiz seit Jahren vor sinkenden Löhnen und nicht vor steigenden. So sehr, dass der Lohnschutz zu einem zentralen Stolperstein im Rahmenabkommen mit der EU geworden ist.
Die Ängste vor einer Inflation sind berechtigt: vor allem bei Anlegerinnen und Anlegern in den USA, vielleicht auch in der EU. In der Schweiz hingegen ist mit einer furchteinflössenden Teuerung so schnell nicht zu rechnen.