Die Produktion bei Ypsomed im Werk Solothurn scheint eine Woche nach dem US-Zollentscheid wie immer zu laufen. Hier werden unter anderem Insulin-Pens produziert für Diabetikerinnen und Diabetiker oder Pens, mit denen Medikamente gespritzt werden. Am grossen Ganzen wird sich nichts ändern. Und dennoch sind Anpassungen angedacht.
Zölle hin oder her – wir müssen liefern, unsere Produkte sind lebensnotwendig.
«Wir werden unter Umständen gewisse Aufträge von Solothurn ins Werk nach Deutschland verschieben und umgekehrt», sagt Michel. Doch klar sei: Ypsomed werde weiterhin liefern, auch in die USA, wo etwa zehn Prozent der Exporte hingehen: «Zölle hin oder her – wir müssen liefern, unsere Produkte sind lebensnotwendig», betont er. Spielraum sieht Michel bei den Lieferfristen.
Michel will nun erst einmal drei bis vier Wochen abwarten und kurzfristig vorerst keine Pens mehr direkt in die USA schicken, da dort Zoll anfällt. Das sei mit den US-Kunden so abgesprochen: «Es kann ja noch einiges passieren in den nächsten Wochen.»
Gleichzeitig bereitet sich Ypsomed vor, mittelfristig Teile der Aufträge ins Werk nach Deutschland zu verlagern, von wo aus für den Import in die USA nur 15 Prozent Zoll anfallen. Und dann baut Ypsomed noch ein Werk an der Ostküste in den USA. Den Entscheid dazu fällte Michel bereits vor dem Zollhammer. Nun soll das Projekt aber schneller realisiert werden.
Medtech – technisches Gerät oder Medikament
Ypsomed ist eines der bekannteren Schweizer Medtech-Unternehmen und robuster aufgestellt als kleinere Firmen. Mit seinen Produkten gehört es zu den Vorzeigeunternehmen.
Allerdings ist genau das typisch für die Branche: Sie stellen spezialisierte Produkte her. Insgesamt sind es etwa eine halbe Million verschiedene Produkte – vom Beatmungsgerät über Spezialpflaster bis zu Hüftgelenken.
Von den Zöllen ausgenommen sind die Medtech-Produkte aber trotz ihrer teils lebenswichtigen Funktionen nicht. Meistens jedenfalls, wie Michel erklärt. Bei seinen Pens etwa kommt es darauf an, wo und wie sie mit Medikamenten wie Insulin oder Abnehm-Präparaten verbaut werden.
Wird der Ypsomed-Pen als technisches Gerät von der Schweiz direkt an ein Pharmaunternehmen in den USA verschickt, wird darauf ein Zoll von neu 39 Prozent fällig. Werden die Schweizer Pens aber von einer Pharmafirma in Deutschland sogenannt «verheiratet», also verbaut, ist das finale Produkt kein technisches Gerät mehr, sondern ein Medikament.
Viele von uns haben spätestens nach Corona gelernt, dass ein Plan B und ein Plan C in die Schublade gehören.
Krisenszenarien seien in den letzten Jahren Teil des Alltags der Medtech-Unternehmer geworden, erklärt Michel: «Viele von uns haben spätestens nach Corona gelernt, dass ein Plan B und ein Plan C in die Schublade gehören.» Als Beispiele nennt er die Aufhebung des Euro-Mindestkurses vor zehn Jahren, aber auch die Bankenkrise, Covid und steigende Energiepreise.
«Wir müssen anpassungsfähig sein, das ist unsere Aufgabe», unterstreicht Michel. Ypsomed sei dies auch dank Regionalisierungen – eine wichtige Erkenntnis aus den letzten Krisen: Hin zu den Kunden, seien diese in den USA, in China oder auch Europa. Das Herzstück der Firma aber bleibe in der Schweiz. «Wir haben eine gute Stimmung hier», betont er. «Aber einfach wieder etwas Neues, das uns beschäftigt», sagt Michel und geht ruhigen Schrittes zum nächsten Termin.