Medtech-Unternehmer Simon Michel rechnet damit, dass der US-Zollhammer viele Betriebe in eine Krise stürzen wird. Trotzdem ist er zuversichtlich: Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, die Zölle zu umgehen. Die Schweizer Industrie werde sich nun noch schneller verändern.
SRF News: Ihr Unternehmen ist Weltmarktführer bei Insulinspritzen. Die USA sind für Sie ein extrem wichtiger Markt. Sie haben kürzlich angekündigt, den Bau einer Fabrik in den USA zu beschleunigen. Werden die Produktionsangestellten in der Schweiz damit mittelfristig keinen Job mehr haben?
Simon Michel: Wir produzieren rund zehn Prozent für den amerikanischen Markt. Rund fünf Prozent aus Deutschland und fünf Prozent aus der Schweiz heraus. Wir werden jetzt kurzfristig versuchen, die Aufträge aus der Schweiz nach Deutschland zu bringen und gleichzeitig Aufträge aus Deutschland in die Schweiz bringen, sodass es keinen Effekt hat für Mitarbeitende. Auf Mitte 2027 werden wir in Amerika einen eigenen Standort haben – für das Wachstum in Amerika.
Es wird immer weniger attraktiv, in der Schweiz zu produzieren.
Aber das heisst doch, in Zukunft wird die Produktion zunehmend in den USA stattfinden und Produktionsjobs in der Schweiz werden tendenziell verloren gehen?
Ypsomed ist ein Wachstumsunternehmen, wir werden nicht so stark davon belastet sein. Aber am Werkplatz Schweiz werden wir das erleben. Das ist aber nicht unbedingt dramatisch. Denn wir haben hier vor allem die Innovation und Entwicklung, die wichtig ist.
Der ganze Strukturwandel hat schon vor zehn Jahren mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses begonnen. Dann mit Covid, der Energiekrise und jetzt Trump. Es wird immer weniger attraktiv, in der Schweiz zu produzieren. Aber die Gewinne holen wir ja zurück in die Schweiz, weil wir hier entwickeln. Es ist sehr wichtig, dass wir das Wissen hier in der Schweiz behalten.
Wir Unternehmer können nicht hoffen, wir müssen handeln.
Zeigt nicht gerade Ihr Unternehmen, dass man sich der Situation anpassen kann? Ist die Krise vielleicht gar nicht so gross?
Unser Land wird wegen Donald Trump nicht untergehen. Aber es sind brutale Einzelschicksale. Natürlich gibt es Unternehmen, die weiter werden liefern können, weil sie Top-Produkte haben. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die nicht mehr liefern können, weil der Zoll so hoch ist. Das ist ein Problem für viele Betriebe.
Sie gelten auch als engagierter Befürworter des neuen Vertragspakets mit der EU. Aber auch hier: Es dauert mindestens bis 2028, bis die Verträge in Kraft treten können. Nützt das etwas, um dieser Krise zu begegnen?
Das Zeichen, dass wir die Rechtssicherheit erhalten, ist wichtig. Über 50 Prozent aller in der Schweiz hergestellten Produkte gehen in die EU. Das wollen wir auch morgen noch. Dafür brauchen wir die Bilateralen III.
Es gibt viele Möglichkeiten, diese Zölle zu umgehen.
Bundespräsidentin Keller-Sutter sagte am Donnerstag, es sei völlig unklar, wie lange der hohe Zollsatz bestehen bleibt. Wie schnell müssen diese Zölle weg, damit der Schaden für die Unternehmen nicht allzu gross wird?
Ein paar Wochen oder einen Monat kann man vielleicht Lieferungen aussetzen. Wir Unternehmer können nicht hoffen, wir müssen handeln. Darum erarbeiten wir jetzt Optionen.
Wir bei Ypsomed haben das Glück, dass wir andere Standorte haben, um die Produktion zu verlagern. Andere haben das nicht. Die schliessen sich vielleicht zusammen, bauen an der US-Ostküste einen Standort. Es gibt dort viele Hallen, die frei sind. Man kann in der Schweiz Einzelteile herstellen und dann in den USA alles zusammen montieren. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Zölle zu umgehen.
Das Gespräch führte Andy Müller.