Vor dem Laden in Spreitenbach warten mehr als 100 Personen. Innen wird der Countdown gezählt. Und dann beklatschen die Angestellten jeden einzelnen Kunden. XXXLutz eröffnet seinen ersten Möbelladen namens Mömax in der Schweiz.
Ikea lässt grüssen
Auf den 6000 Quadratmetern erinnert vieles an Marktführer Ikea. Möbel haben Namen, Kampfpreise sollen Kauflustige anlocken, der Kunde wird mit einem Pfeil durch einen Rundgang geführt. Auch die grossen Plastiktaschen sind hier zu finden, in diesem Fall in Grün.
Dass das österreichische Möbelhaus die Schweden einst überholen will, haben Firmenvertreter schon mehrmals kommuniziert.
Zwei Mömax-Filialen wurden Anfang August eröffnet, in Spreitenbach AG und in Emmen LU. Vier weitere sollen noch in diesem Jahr folgen: Dübendorf, Bern-Schönbühl, St Gallen-Abtwil und Pratteln BL.
Es sind ehemalige Interio-Standorte. XXXLutz hat die Deutschschweizer Filialen im vergangenen Jahr von Migros übernommen. Zusätzlich betreibt es grosse Möbelhäuser unter eigenem Namen. Eines steht bereits in Rothrist im Kanton Aargau. Zwei weitere XXXLutz-Häuser sind im Bau oder in Planung. Und es sollen nicht die letzten sein.
Eine zweite Übernahme schlug noch höhere Wellen: Pfister gehört seit elf Monaten den Österreichern. Und damit auch die Möbelhäuser Hubacher, Egger und Svoboda. Pfister-Präsident Rudolf Obrecht sieht im Verkauf nur Vorteile.
Er könne verstehen, dass das für die Öffentlichkeit «schwierig zu begreifen» gewesen sei. Entscheidend sei aber nicht die Öffentlichkeit gewesen, sondern die Sicherung der Arbeitsplätze.
Über Zahlen, und damit über die Dringlichkeit des Verkaufs, will er nicht sprechen. Aber mehrere Branchenkenner haben «ECO» berichtet, dass die Umsätze von Pfister rückläufig gewesen seien.
Chancen für einen Newcomer sind gut.
Expansionschef Meinrad Fleischmann will sich nicht zum Verkauf äussern. Dabei war er selbst bis 2015 Geschäftsführer von Pfister. Er habe mit dem Deal nichts zu tun.
Lieber spricht er über Mömax. Er ist überzeugt, dass XXXLutz es in der Schweiz besser machen kann als der Vorgänger Interio: «Der Schweizer Markt hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Gewisse Firmen haben zugemacht, neue sind gekommen. In so einer Veränderungsphase sind die Chancen für einen Newcomer immer gut.»
XXXLutz expandiert schnell, inzwischen in 13 europäischen Ländern.
Vor wenigen Wochen hat das Unternehmen gemeinsam mit einem Finanzinvestor aus den USA die 162 französischen Conforama-Filialen übernommen. Seit 2018 gehört die deutsche Möbelkette Poco mit 125 Filialen zu XXXLutz. Übernahmen wie Pfister sind da im Vergleich ein kleiner Deal.
Gleichzeitig wächst das Unternehmen durch die Eröffnung eigener Läden: Erst vor wenigen Wochen hat die Firma kommuniziert, dass sie sieben neue XXXL-Einrichtungshäuser in Tschechien eröffnen wird.
Druck auf Schweizer Möbelhersteller
Die Expansion spiegelt sich im Umsatz wider: ein Plus von 700 Millionen Euro 2019, von 4.4 Mrd. auf 5.1 Mrd. Euro. Und das betrifft nur die eigenen Häuser.
Seine Grösse verleiht dem Unternehmen eine bedeutende Marktmacht im Einkauf. Es hat einen eigenen Einkaufsverband namens Giga, dem nun alle Möbelhersteller angeschlossen werden, die XXXLutz beliefern.
Derzeit müssen alle Schweizer Möbelhersteller, die Lieferanten von Pfister sind, neu mit XXXLutz verhandeln.
Der Präsident des Verbands Möbelschweiz, Hannes Vifian, sagt: «Ich weiss von Mitgliedsfirmen, die Lieferant von Lutz und von Pfister sind, dass die neuen Einkäufer einen grossen Druck ausüben und dass die Art, wie verhandelt wird, nicht unbedingt als partnerschaftlich wahrgenommen wird.»
Harte Bedingungen akzeptieren oder neu aufstellen
«ECO» hat mit mehreren Herstellern gesprochen. Vor der Kamera will sich niemand äussern, doch ist auch hier die Rede von «grossem Druck», einer «harten Nuss» oder von «Erpressung». Pfister-Präsident Rudolf Obrecht bezeichnet harte Lieferantengespräche als «völlig normalen Prozess».
Zwei Hersteller berichten: XXXLutz mache einen «Chefbonus» zur Bedingung der Zusammenarbeit. Man müsse pauschal drei bis fünf Prozent des Umsatzes an die Eigentümerfamilie Seifert abgeben, ohne erkennbaren Geschäftszusammenhang.
XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger schreibt dazu: «Keine der Bonusse kommen der Familie Seifert selbst zugute, sondern alle Konditionen fliessen den operativen Landesgesellschaften zu, in diesem Fall der Schweizer Gesellschaft.» Das Unternehmen gebe «zu Einkaufsgesprächen und Konditionen im Möbelhandel keine Detailinfos».
Viele Schweizer Hersteller müssen sich jetzt entscheiden: Akzeptieren sie die Bedingungen? Oder finden sie neue Wege, ihre Möbel zu verkaufen?