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Nachhaltig, aber weniger süss Nach dem Vollkornbrot kommt die Vollfruchtschoggi

Barry Callebaut will eine Schokolade auf den Markt bringen, für die die gesamte Kakaofrucht verwendet wird, nicht nur die Bohne.

Bei der Gewinnung von Kakao gebe es ein Abfallproblem, erklärte Antoine de Saint-Affrique, Chef des Schokoladeriesen Barry Callebaut unlängst. Denn Kakao sei die einzige Frucht, bei welcher man nur die Kerne verwende und das Fruchtfleisch wegwerfe. Man habe deshalb geprüft, ob das geändert werden könnte. Das Resultat ist eine neue Schokolade, die «Whole Fruit Chocolate».

Barry-Callebaut-CEO Antoine de Saint-Affrique
Legende: Wie und wo die neue Schoggi produziert wird, sagte Barry-Callebaut-CEO de Saint-Affrique nicht. Keystone

Sie soll weniger süss sein, mehr Nahrungsfasern enthalten und im nächsten Jahr in den Verkauf kommen. Christine Müller, Geschäftsführerin der Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao, ist von der Idee begeistert. Die Kakaofrucht ganz zu verwenden, sei wie Vollkornbrot herzustellen. Das sei wegen der Nachhaltigkeit sinnvoll. Zudem sei das Fruchtfleisch schmackhaft.

Geschmacklich geht das Fruchtfleisch der Kakaofrucht in Richtung Litchi.
Autor: Christine Müller Lebensmittelingenieurin

«Geschmacklich geht es in Richtung Litchi», erklärt Müller. Die Erklärung dafür, dass man es bisher meist weggeworfen hat, sind die Produktionsbedingungen: Das Fruchtfleisch verdirbt rasch. Und in den Kakaodörfern gebe es kaum Strom, um Kühlanlagen zu betreiben.

Kühlung mit Solarenergie

«Man muss sich das vorstellen, wie ein Apfel, der braun wird. Man muss das Fruchtfleisch vor Ort sammeln, es kühlen und dann weiterverarbeiten», erklärt die Lebensmittelingenieurin. Wahrscheinlich sei dies Barry Callebaut nun gelungen. Die ganze Kakaofrucht für sich entdeckt hat aber nicht nur Barry Callebaut, sondern auch das schweizerisch-ghanaische Startup Koa.

Eine Hand hält eine aufgeschnittene Kakaofrucht, gelbe Schale, weissliche Kerne.
Legende: Das Fruchtfleisch der Kakaofrucht sei sehr schmackhaft, findet Fachfrau Christine Müller. Keystone

Es hat zum Ziel, mit Solarstrom auch in entlegenen Gebieten Ghanas die ländliche Entwicklung zu fördern. Die Suche nach mehr Wertschöpfung für diese Gebiete habe sie zum Hauptexportprodukt des Landes geführt, sagt Anian Schreiber, einer der drei Gründer von Koa. «Der Ernteprozess der Kakaofrucht ist seit 300 Jahren gleich. Wir haben Solarenergie angewandt, um nutzbar zu machen, was bisher nicht verwertet werden konnte.»

Die Bauern haben 30 Prozent mehr Einkommen, als wenn sie nur die Bohnen verarbeiten.
Autor: Anian Schreiber Mitgründer von Koa

Konkret hat Koa den Gewinnungsprozess in verschiedene Phasen aufgeteilt. Direkt auf der Plantage ernten die Bauern Fruchtfleisch und Kerne und füllen alles in desinfizierte und verschliessbare Behälter. «Der zweite Schritt ist, dass wir eine mobile Anlage haben, die wir von Dorf zu Dorf fahren können.»

«Dort extrahieren wir den Saft und geben die Bohnen sofort an die Bauern zurück», so Schreiber. «Wir bezahlen sie über einen mobilen Money-Transfer, das heisst, sie kriegen sofort Geld. Sie haben 30 Prozent mehr Einkommen vom Fruchtfleisch, als wenn sie nur die Bohnen konventionell verarbeiten.»

Der Konsument entscheidet

Der Saft wird in einer Fabrik pasteurisiert, abgepackt und nach Europa exportiert. Nach anfänglicher Skepsis würden nun 1000 Bauern beim Projekt mitmachen. Und täglich kämen neue hinzu. In ein paar Jahren soll Koa Gewinn schreiben. Christine Müller ist überzeugt, dass die Produzenten vor Ort sich mit diesen Neuerungen anfreunden können: «Wenn sie einen Mehrwert in einem neuen Prozess sehen, setzen sie diesen auch um.»

Ein Mann hält dunkle, getrocknete Kakaobohnen in den Händen, darunter ein Sack.
Legende: Bisher werden nur die Kakaobohnen getrocknet und zu Schokolade weiterverarbeitet. Reuters

Denn rein aus dem Erlös der Kakaobohnen könnten die Bauern kein existenzsicherndes Einkommen erzielen, weiss Müller aus Erfahrung. Und wenn Barry Callebaut mit seiner Marktmacht diesen Rohstoff verstärkt nutzen wolle, könne das die Einkommen der Landbevölkerung nachhaltig aufbessern.

Wie stark die Produzenten vor Ort tatsächlich profitieren, hängt aber auch davon ab, ob diese neue, vollwertigere Schokolade oder der sauer-süsse Kakaosaft bei den Konsumentinnen und Konsumenten am Ende ankommt.

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