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Neue Antibiotika Antibiotika-Forschung nimmt Fahrt auf

Als einziges europäisches Unternehmen bekommt Bioversys aus Basel Geld aus dem Milliardentopf AMR Action Fund.

Worum geht es? Vor rund zwei Jahren haben 20 grosse Pharmaunternehmen, darunter auch Novartis und Roche, einen Fund aufgesetzt, um die Entwicklung von neuen Antibiotika voranzutreiben. Nun nimmt die Entwicklungsoffensive konkrete Formen an.

Wer ist Bioversys und wozu wird das Geld verwendet?

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Das Basler Biotechnologieunternehmen Bioversys ist vor 12 Jahren als ETH-Spin-Off entstanden. Gründer Marc Gitzinger leitet das Unternehmen und beschäftigt 22 Mitarbeitende. Die rund 33 Millionen Franken aus dem Fund fliessen in zwei Forschungsprojekte in der Phase 2. Das heisst, die neuen Medikamente werden an grösseren Gruppen – 30 bis 80 Personen – getestet. Für die Phase 3, in der die Medikamente an noch mehr Patientinnen und Patienten getestet werden, wird sich Bioversys wieder um finanzielle Mittel bewerben müssen.

Unter den ersten drei Unternehmen, die Geld aus dem AMR Action Fund erhalten haben, ist auch das Basler Biotechnologieunternehmen Bioversys . Eine Übersicht zu den wichtigsten Fragen und Antworten zu neuen Antibiotika.

Warum braucht es neue Antibiotika? Antibiotika sind ein wichtiger Bestandteil der modernen Medizin. Doch viele Erreger haben sich an Antibiotika gewöhnt und sind darum resistent. Die Medizin sucht deshalb nach neuen Antibiotika, gegen die die Krankheitserreger noch nicht widerstandsfähig sind.

Resistente Keime sind für den Menschen gefährlich. Gemäss Studien sterben jährlich 1.3 Millionen Menschen, weil bei ihnen Antibiotika nicht wirken. Bis zum Jahr 2050 könnten es sogar gegen 10 Millionen werden.

Warum ist die Suche nach Kapital für die Forschung neuer Antibiotika schwieriger als für andere Medikamente? Es gibt mehrere Gründe, die die Investorinnen abhalten: Zum einen sind es die hohen Forschungsrisiken und zum anderen die tiefen Umsätze, die später mit neuen Antibiotika erzielt werden.

Warum forscht «Big Pharma» nicht selbst im grossen Stil?

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Einige Grosskonzerne forschen nach neuen Antibiotika – so auch der Konzern Roche. Der Trend in der Pharmabranche geht hin zu fokussierten Konzernen, die sich auf ausgewählte Krankheiten spezialisieren. Diese Spezialisierung hat auch mit den besseren Margen zu tun. Um diese Forschung weiter anzustossen, bräuchte es gemäss der Industrie neue Vergütungsmodelle.

Mit dem AMR Action Fund, dem bisher grössten privaten Fund, wollen 20 Pharmakonzerne, darunter Roche und Novartis, für kleinere Unternehmen Brückenfinanzierungen leisten. Aus dem 1-Milliarden-Topf sind finanzielle Mittel an zwei Unternehmen in den USA geflossen sowie an Bioversys in Basel. Thomas Cueni, Chef des internationalen Pharmabranchenverbands, verweist zudem darauf, dass mit dem Fund auch die Diskussion über die Preismodelle angestossen werden soll.

Die Medikamente sind nicht nur günstig, sondern werden von den Ärzten auch zurückhaltend eingesetzt. Denn die resistenten Keime können sich schnell an neue Antibiotika anpassen. Neue Antibiotika sind also aus Sicht klassischer, gewinnorientierter Investoren weder preislich noch mengenmässig interessant.

Was müsste sich aus Sicht der Investoren ändern? Einig sind sich Investoren darin, dass neue Antibiotika weltweit nur zurückhaltend verschrieben werden sollen, sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin. Damit Unternehmen aber dennoch in die Forschung investieren, sollten gemäss Experten neue Vergütungsmodelle diskutiert werden. Damit sich ihr Geschäft lohnt, sollten Hersteller nicht eine möglichst hohe Stückzahl Antibiotika verkaufen müssen.

Eine Forscherin macht Experimente in einem Labor.
Legende: Antibiotika-Forschung ist unter den Pharmaunternehmen wenig attraktiv. Brückenfinanzierungen, wie der AMR Action Fund sollten Aufschwung geben. IMAGO/ Cavan Images

Wie könnten neue Vergütungsmodelle aussehen? In Grossbritannien und Schweden werden sogenannte «Abonnentensysteme» diskutiert. Pharma-Unternehmen übernehmen dabei die Kosten für die Forschung und Entwicklung.

Neue Antibiotika zur Verfügung zu haben ist sinnvoll, aber noch besser ist es, diese gar nicht einzusetzen.
Autor: Thomas Cueni Chef des internationalen Pharmabranchenverband

Doch wenn sie die neuen Antibiotika auf den Markt bringen, werden sie vom Staat für eine bestimmte Zeit für dessen Bereitstellung entschädigt – unabhängig vom Verkauf. Thomas Cueni, Chef des internationalen Pharmabranchenverbands, vergleicht diese Modelle mit einer Brandversicherung: «Neue Antibiotika zur Verfügung zu haben ist sinnvoll, aber noch besser ist es, diese gar nicht einzusetzen.»

Auch Expertinnen und Experten des privaten Vereins «Runder Tisch Antibiotika» in der Schweiz, fordern neue Vergütungsmodelle. Die Schweizer Behörden zeigen sich bisher wenig offen für diese Ideen und verweisen auf die Koordination mit dem Ausland.

Was tut die Schweiz in Sachen Antibiotikaresistenzen? Der Bundesrat hat 2015 unter anderem eine nationale Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) lanciert. In der Human- und Tiermedizin, aber auch in der Landwirtschaft, werden zahlreiche Massnahmen umgesetzt, um Antibiotikaresistenzen zu vermeiden. Dazu gehören zum Beispiel auch Abwasserreinigungen.

Echo der Zeit, 17.1.2023, 18 Uhr

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