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Neue Mobilfunk-Lobby Eine Chance zur Versachlichung der 5G-Diskussion

Ein Gremium aus Politikern und Experten will sich für den Aufbau der 5G-Netze einsetzen. Das kann gut kommen – oder auch nicht.

In der Diskussion rund um die Einführung des neuen Mobilfunk-Standards 5G ist bereits viel Geschirr zerschlagen worden. Heute hat sich eine neue Lobbying-Organisation formiert, die sich für den Aufbau dieser Technologie stark machen will.

Der Gruppe gehören Parlamentarierinnen und Parlamentarier von links bis ganz rechts an – mit Ausnahme der Grünen. Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Und woher das Geld stammt ist auch transparent gemacht: Vom Telekom-Verband Asut, der von Mitgliedern wie Salt, Sunrise oder Swiss getragen wird, aber auch Ausrüstern wie Huawei und Ericsson.

Es musste offenbar schnell gehen. Die Website von «CHANCE5G» – so nennt sich diese Lobby-Organisation – hat noch Lücken und das Co-Präsidium ist noch nicht bestellt. Es werde über die Sommerferien konstituiert, ist zu lesen.

Gefahr einer weiteren Polarisierung

Dass ein breitabgestütztes Gremium versucht, sich in die verfahrene Diskussion rund um die neue Mobilfunk-Technologie einzuschalten, die neben ernstzunehmenden Bedenkenträgern auch viele Verschwörungstheoretiker beschäftigt, bietet eine Chance – aber eben nicht nur.

Die Chance: Die Versachlichung. Das Risiko: Eine weitere Polarisierung. Und das Risiko ist gross. Denn kaum ein anderes Technologie-Thema hat in einer ähnlichen Heftigkeit Shitstorms durch die Sozialen Medien gepeitscht. Fingerspitzengefühl ist also gefragt.

Das hat die Telekom-Branche selbst bisher vermissen lassen. Ihr ist das Thema völlig entglitten. Salt, Sunrise und Swisscom haben unterschätzt, welches Aufregungspotenzial dieser Ausbauschritt in der Bevölkerung hat. Und damit verlagerte sich die Diskussion auch auf absurde Felder: Etwa, dass es einen Zusammenhang zwischen 5G-Strahlung und dem Corona-Virus gebe. Was – das sei hier festgehalten – jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.

Gräben vertieft statt eingeebnet

Dennoch können nicht alle Argumente der Technologie-Skeptiker ins verschwörungstheoretische Abseits gewischt werden. Elektro-Sensibilität mag zwar wissenschaftlich schwierig belegen zu sein, sie deswegen gleich als Hirngespinst abzukanzeln, wäre aber vermessen.

Die ökonomischen Aspekte der 5G-Technologie sind weniger umstritten. Sie verspricht insbesondere neue, bisher nicht mögliche Anwendungen in verschiedenen Industriezweigen. Indem sie die Automatisierung und Überwachung vielfältiger Prozesse unterstützt. Die Telekom-Branche selbst schätzt, dass 5G bis im Jahr 2030 rund 42 Milliarden Franken oder 3 Prozent zum Produktionswert der Schweizer Wirtschaft beitragen und 137000 Jobs schaffen kann.

Doch die bisher erfolgten Auseinandersetzungen rund um das Thema 5G haben die Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern eher vertieft als eingeebnet. Nun besteht die Chance, diesen Dialog neu aufzurollen. Basierend auf Fakten – und wo sie noch fehlen oder nicht gesichert sind – mit der nötigen Offenheit gegenüber anderen Argumenten.

Tagesschau, 19.30 Uhr, 10.07.20

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