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Noch ist Saulus kein Paulus «Analog zur Flugscham scheint es nun die Ölscham zu geben»

Der britische Ölkonzern BP präsentiert heute seine Zahlen. Experten rechnen damit, dass der Gewinn um ein Viertel zurückgegangen ist. Dass dies die direkte Auswirkung der aktuellen Klimadiskussion ist, bezweifelt SRF-Energieexperte Klaus Ammann.

Klaus Ammann

Wirtschaftsredaktor

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Der Historiker und Russist ist seit 2004 als Redaktor bei Radio SRF tätig. Seit 2011 arbeitet Klaus Ammann für die Wirtschaftsredaktion. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf Energie- und Klimathemen.

SRF News: Führen Sie den Gewinnrückgang der Energiefirma BP auf die Klimadiskussion zurück?

Klaus Ammann: Sie hat höchstens zu einem kleinen Teil damit zu tun. Der Hauptgrund sind die tiefen Öl- und Gaspreise. Sie sind tief, weil das Angebot im letzten Jahr vor allem dank günstigem Schiefergas aus den USA gross war. Gleichzeitig war die Nachfrage wegen der stotternden Weltwirtschaft eher klein. Eher in Zusammenhang mit der Klimadiskussion steht die Tatsache, dass die Aktienkurse von BP und allen grossen Ölfirmen in letzter Zeit deutlich an Wert verloren haben.

Selbst wenn viele Leute Teslas kaufen oder Wärmepumpen in ihren Häusern einsetzen, werden Öl und vor allem auch Gas noch sehr lange gefragt sein.

Glauben die Investoren nicht mehr an die Erdölkonzerne?

Es mag widersprüchlich erscheinen. Einerseits verdienen die Ölfirmen nach wie vor mit den fossilen Energieträgern Geld. Aber auf der Seite der Investoren scheint sich eine Art Ölscham analog zur Flugscham breitzumachen. Insbesondere jüngere Investoren handhaben es wie mit den Tabakfirmen: Da ist eine Industrie, die zwar rentiert, aber mit der man aus ethisch-moralischen oder politischen Gründen nichts mehr zu tun haben darf. Deshalb verkaufen viele ihre Titel und das macht den Aktienkursen zu schaffen.

Bei der Flugscham stellen wir fest, dass trotzdem so viele Menschen fliegen wie nie zuvor. Ist es beim Erdöl ähnlich?

Selbst wenn viele Leute Teslas kaufen oder Wärmepumpen in ihren Häusern einsetzen, werden Öl und vor allem auch Gas noch sehr lange gefragt sein. Bei der Kohle ist der Höhepunkt wahrscheinlich schon bald erreicht. Beim Öl wird dies vielleicht in diesem Jahrzehnt der Fall sein, aber auf Gas werden wir noch lange angewiesen sein.

Verschiedene Ölkonzerne in Europa kaufen Firmen aus dem Bereich erneuerbare Energien. Haben sie die Zeichen der Zeit erkannt?

BP inszeniert es zwar medienwirksam, wenn das Unternehmen ein Sonnenkraftwerk kauft. Allerdings ist der Anteil an erneuerbaren Energien unter dem Strich immer noch sehr gering.

Laut Studien haben die grössten Ölfirmen zusammen im Schnitt 2018 nur ein Prozent ihres Budgets für erneuerbare Energien investiert.

Laut Studien haben die grössten Ölfirmen – BP, Shell, Chevron, Total, Eni, Petrobras, Exxon und Equinor – zusammen im Schnitt 2018 nur ein Prozent ihrer Budgets für erneuerbare Energien investiert. Die Unterschiede sind aber gross. Die Europäer, – sprich: BP, Shell und Equinor – haben vergleichsweise viel gemacht. Doch es ist immer noch zu wenig, um mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu kommen. Aber auf der anderen Seite gibt es US-Konzerne wie Chevron und Exxon und den brasilianischen Konzern Petrobras, die nichts tun.

Die Erdölkonzerne haben sich noch nicht neu erfunden?

Sie sind weit weg davon. Allerdings ist es nicht das Hauptziel der Erdölkonzerne, Paris einzuhalten. Die Unternehmen reagieren auf die Politik und je energischer diese die Pariser Ziele umsetzen will und Massnahmen ergreift, desto schneller ändern sich die Rahmenbedingungen. Die Erdölkonzerne wandeln sich langsam zu Energiekonzernen. Die Buchstaben BP sollen ja nicht mehr die Abkürzung von «British Petroleum» sein, sondern von «Beyond Petroleum», was auf Deutsch etwa «Was nach dem Erdöl kommt» heisst. Die norwegische Statoil heisst seit Kurzem Equinor. Natürlich ist es mit Namenswechseln nicht getan. Es ist eine strategische Aufgabe. Man muss den aktuellen Goldesel in Rente schicken und einen Goldesel von morgen mit erneuerbaren Energien heranziehen.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

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