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Sanktionen gegen Russland Der Rubel rollt wieder? Ein Trugschluss

Im Normalfall widerspiegeln Währungen mehr oder weniger den Zustand einer Wirtschaft. Wenn es einer Volkswirtschaft beispielsweise gut läuft, viel exportiert wird, ist eine Währung stark, weil sie gefragt ist. Die Schweiz kennt das bestens. Das Bauchgefühl legt nun nahe, dass der Rubel schwach bleiben müsste, weil die wirtschaftlichen Sanktionen der russischen Wirtschaft stark zusetzen, wie sogar die russische Zentralbank diese Woche bestätigt hat.

Allerdings zielen Wirtschaftssanktionen nie direkt auf eine Währung. Und obiges Prinzip gilt auch nur dann, wenn Währungen frei handelbar sind – was beim Rubel nicht mehr der Fall ist. Denn die russische Zentralbank hat massive Kapitalkontrollen eingerichtet.

Rubelmünze, im Hintergrund Moskau
Legende: Die russische Währung ist nach Kriegsbeginn um die Hälfte gegenüber dem Dollar eingebrochen. Jetzt aber, zwei Monate später, hat sich der Rubel erholt und pendelt wieder knapp unter dem Niveau von vor dem Krieg. Keystone

Die Kapitalkontrollen bewirken, dass möglichst wenig Rubel verkauft werden können – und möglichst viele Rubel gekauft werden müssen. Beides stützt den Rubelkurs künstlich. So dürfen Russen, Russinnen und auch Unternehmen nur noch begrenzt Rubel in Fremdwährungen tauschen. Firmen hingegen, die wie Gazprom oder andere Exportfirmen Fremdwährungen aus dem Ausland für ihre Güter erhalten, müssen 80 Prozent dieser Einnahmen in Rubel umtauschen. Auch diese Rubelkäufe stützen den Rubel künstlich.

Und weil russische Firmen nur schon mit Gas und Erdölverkäufen täglich fast eine Milliarde Dollar einnehmen, werden riesige Summen in Rubel umgetauscht. Dabei helfen die hohen Gas- und Ölpreise mit: Weil Erdöl und Gas viel teuer sind als noch vor einem Jahr, sprudeln die Erträge kräftiger als früher. Laut der Agentur Bloomberg nimmt Russland dieses Jahr fast 300 Milliarden Dollar ein mit dem Verkauf von Energie, 30 Prozent mehr als 2021. Dadurch werden auch mehr Dollar und Euro in Rubel umgetauscht.

Freiwillig kauft kaum jemand Rubel

Gleichzeitig führen die Sanktionen dazu, dass Russland aktuell nur noch halb so viele Güter aus dem Ausland importiert wie vor dem Krieg – man braucht also weniger Fremdwährungen für die Importe, muss weniger Rubel verkaufen. Auch das stützt den Rubelkurs. Und nicht zuletzt mussten die russischen Firmen im März Steuern zahlen – und haben dazu einen Teil ihrer 180 Milliarden Dollar Reserven in Rubel umtauschen müssen. Weil die Steuern stark angestiegen sind. Auch diese Transaktionen haben den Rubelkurs gestützt.

Und damit ist klar: Würden die Kapitalkontrollen morgen aufgehoben oder auch der Verkauf von Gas und Öl an Europa morgen gestoppt, würde der Rubelkurs implodieren. Denn freiwillig kauft kaum mehr jemand Rubel. Nicht einmal Russen und Russinnen selbst, wie der Schwarzmarkt zeigt – alle wollen Dollars oder Euros.

Charlotte Jacquemart

Wirtschaftsredaktorin

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Charlotte Jacquemart hat an der Universität Zürich Ökonomie studiert und arbeitet seit Juni 2017 als Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Zuvor war sie 13 Jahre lang bei der «NZZ am Sonntag» tätig.

Echo der Zeit, 22.04.2022, 18 Uhr

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