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Saudischer Ölförderer Aramco Der Weg an die Börse ist holpriger als gedacht

Gut 25 Milliarden Dollar will Aramco über Aktien ins Land holen – ein Rekord, der deutlich höher hätte ausfallen sollen.

Saudi-Arabien hoffte auf viele Milliarden aus dem Ausland. Aber die ausländischen Investoren runzelten die Stirn, als Saudi-Arabien den eigenen Staatskonzern ursprünglich mit zwei Billionen Dollar bewertete.

Das sei schlicht zu hoch, hörte man von Finanzexperten. Oder wie es Unternehmensberaterin und Erdölexpertin Cornelia Meyer ausdrückt: «Die ursprünglich angepeilte Bewertung war sehr ambitiös.»

Zu viele Unsicherheiten

Insbesondere Investoren in New York, London, Zürich und Tokio liessen sich nicht von den Superlativen beeindrucken. Auch wenn Aramco mehr verdient als jedes andere Unternehmen der Welt, fragten sich potenzielle Anleger, wie stark sie von diesen Gewinnen tatsächlich profitieren könnten. Versprochen hatte Aramco den Markteilnehmern offenbar nicht genug.

Zumindest nicht genug um über die Unsicherheiten bei dem Börsengang hinwegzuschauen. Denn diese bestimmen den Aktienpreis. Und bei Aramco gibt es eine ganze Reihe von Unsicherheiten, weiss Meyer: «Es gibt die Frage des Staatseinflusses, die Frage, was Aramco noch an die saudische Wirtschaft beisteuern muss, und es gibt eine gewisse Rechtsunsicherheit, weil der Staat jederzeit mit einem Gesetz neue Richtlinien stipulieren kann.»

Zu wenig Transparenz

Die Verflechtung mit dem Staatsapparat, das Vermischen von unternehmerischen Ambitionen und politischen Zielen macht die Geldmaschine Saudi-Arabiens zu einem undurchsichtigen Konstrukt.

Wobei Meyer anmerkt: «Für eine staatliche Firma im Mittleren Osten ist es die transparenteste, die Sie finden können.» Sie sei aber nicht vergleichbar mit westlichen Ölkonzernen: «Es gibt nicht dieselben Anforderungen an die Transparenz wie es sie bei Shell, BP und Exxon gibt, das ist ganz klar.»

Aber Aramco ist – wie alle Ölkonzerne – davon betroffen, dass momentan mehr Öl gefördert wird, als verbraucht wird. «Derzeit gibt es zu viel Öl auf der Welt», sagt Christoph Rühl, einst Chefökonom von BP, heute Unternehmensberater. Er weist auf den grössten Produktionsausfall aller Zeiten, den Anschlag in Saudi-Arabien, hin: «Was passierte mit den Preisen? Sie gingen kurz hoch und ein paar Tage später waren sie tiefer als vorher.»

Zu geringe Nachfrage

Zudem könnten die Preise noch weiter sinken: «Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf den grössten Reserven des Planeten. Aber vielleicht beginnt die Klimadiskussion Folgen zu zeitigen. Sie wissen also nicht, ob die Nachfrage noch so stark ist», sagt Rühl. Diese Unsicherheit sei ein Grund für Saudi-Arabiens Versuch, sich mit dem Verkauf von Aramco-Anteilen vom Erdöl unabhängiger zu machen. Investoren stecken ihr Geld aber lieber in CO2-ärmere Anlagen. Ein Wandel, den Meyer auch beobachtet hat: «Vor zehn Jahren wären mehr Leute interessiert gewesen, in Öl zu investieren. Aber mit der Energietransition hat sich das Umfeld jetzt doch massiv geändert.»

Bei Aramcos Börsengang werde die Superlative also nicht ganz so gigantisch ausfallen. Anstatt den einst angepeilten 100 Milliarden Dollar, die man einkassieren wollte, wird Saudi-Arabien lediglich 25.6 Milliarden verdienen, wenn nächsten Mittwoch die Aktien von Aramco das erste Mal an der saudischen Börse gehandelt werden. Zudem kommt der grösste Teil des Geldes nicht wie erhofft aus dem Ausland, sondern von inländischen Investoren. Das heisst: Die unsichtbare Hand des Marktes hat die saudischen Aramco-Besitzer auf den Boden der Tatsachen geholt.

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