«Streaming» heisst das Zauberwort. Schon 17 Tage, nachdem ein Film im Kino angelaufen ist, soll dieser online bestellt werden können.
Das Filmstudio Universal und der weltgrösste Kinobetreiber AMC haben sich auf diese Praxis in den USA geeinigt. Bisher galt eine 90-tägige Wartefrist. Laut SRF-Filmredaktor Michael Sennhauser ist das vor allem ein Problem für grosse Kinos. Aber auch die kleinen stehen vor einer unsicheren Zukunft.
SRF News: Was bedeutet die Verkürzung der Frist für die Kinobranche?
Michael Sennhauser: Sie zeigt, dass die grossen Kinoketten extrem abhängig sind vom amerikanischen Massenkino. Man sah das in den letzten Wochen: Während die US-Kinos noch geschlossen waren wegen der Pandemie, waren viele Kinoketten in Europa bereits wieder offen. Aber ihnen fehlten die grossen Filme, um das Publikum anzulocken. Universal hat das nun ausgenutzt. Kinobetreiber AMC wird zwar beteiligt an der zusätzlichen Auswertung der Filme auf den Videoplattformen. Aber das ist eigentlich eine Art Ausverkauf.
Ist das ein Problem für die kleineren Kinos in Europa?
Sie sind etwas besser aufgestellt, weil sie das Problem schon lange haben. Sie haben eher zu viele kleine Filme, die sie vors Publikum bringen müssen. Aber den grossen Kinoketten in Europa, auch in der Schweiz, fehlen die Blockbuster. Und wenn sie nun nur noch 17 Tage Zeit haben, um mit denen Geld zu verdienen, wird sich das Karussell beschleunigen. Sie sind noch mehr auf solche Blockbuster angewiesen. Und sie können nur noch kurze Zeit von den Werbegeldern profitieren, die die Hollywood-Studios in diese stecken.
AMC hat keine Kinos in der Schweiz. Hat das trotzdem Auswirkungen?
Ja, das wird sich direkt auswirken. Vor allem auf die drei grossen Kinoketten (Pathé, Kitag und Arena; Anm. d. Red.), die in der Schweiz Säle betreiben. Diese sind ebenfalls abhängig von diesen amerikanischen Produktionen. Sie brauchen sie, um die grossen Säle in den Multiplexkinos zu füllen. Und wenn die Filme in den USA schon nach 17 Tagen auf die Video-on-Demand-Plattformen kommen, wird sich das Diktat sehr schnell auf die ganze Welt erstrecken – dies nur schon wegen der Piraterie.
Für die jungen Leute sind die grossen amerikanischen Filme die Initialzündung.
Denn was auf einer US-Plattform steht, ist innerhalb weniger Tage auch schwarz erhältlich im Internet. Dagegen kämpft man schon lange. Man wird versuchen, die Filme möglichst gleichzeitig auf alle Plattformen zu stellen, um den Piraten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch auch hier sitzen die Kinobetreiber wieder am kürzeren Hebel. Sie haben keinen Einfluss darauf.
Wie steht es grundsätzlich um die Kinobranche?
Das ist schwer zu sagen. Pandemie-bedingt sind die Besucherzahlen massiv gesunken. Man sieht aber, dass die Studiokinos in den Städten recht gut funktionieren. Sie haben ein treues Stammpublikum. Dieses ist über 30, über 40, sogar über 60 und geht weiterhin ins Kino. Aber für die jungen Leute sind die grossen amerikanischen Filme die Initialzündung. Und je weniger es von denen gibt, je schneller die auf den Plattformen sind, desto eher gewöhnt sich das Publikum an diese Plattformen. Insofern kann man noch nicht sagen, wie das Kino in 20 Jahren aussehen wird, ob es dann noch ein Publikum hat.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.