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Sperrung Rheintal-Linie Schweizer Unternehmer erheben Vorwürfe gegen deutsche Politik

Verspätungen und Umleitungen kosten viel Geld. Auch einen Monat nach der Gleisabsenkung bei Rastatt funktioniert der Güterverkehr nur eingeschränkt. Der Unterbruch der Rheintal-Linie bringt den Warenaustausch zwischen Nord- und Südeuropa völlig durcheinander.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Schweizer Unternehmer kritisieren das deutsche Verkehrsministerium.
  • Sie rechnen mit Verlusten in Millionenhöhe.
  • Nach der Streckenblockierung der Rheintallinie hätte es einen Krisenstab gebraucht.

Hupac-CEO Bernhard Kunz kritisiert das deutsche Verkehrsministerium gegenüber «ECO» frontal: «Wenn schon so etwas passiert, dann erwarten wir von der Politik, dass man einen professionellen Krisenstab ins Leben ruft, dass man mit den Betroffenen eng zusammenarbeitet und mit dem Ausland direkt in Kontakt tritt, um die Probleme möglichst schnell abzubauen. Das ist nicht geschehen.»

Die Hupac ist in der Schweiz die führende Anbieterin im kombinierten Verkehr von Schiene und Strasse. Die Hälfte des kombinierten Verkehrs durch die Schweiz transportiert die Hupac – pro Tag 2000 LKW. Wegen des Streckenunterbruchs kann Hupac im Moment nur 500 LKW befördern. Bernhard Kunz rechnet mit einem monatlichen Verlust von 25 Millionen Franken.

Kunden gehen zu Konkurrenten

Verwaltungsratspräsident der Hupac ist Hans-Jörg Bertschi, der zugleich CEO des gleichnamigen Aargauer Familienunternehmens ist. Bertschi gehört mit 40 Niederlassungen und 2500 Mitarbeitern zu den Grossen im kombinierten Verkehr in Europa.

Auch Hans-Jörg Bertschi hält sich mit Kritik nicht zurück: Etwas Vergleichbares habe er in 30 Jahren Geschäftstätigkeit nie erlebt: Auch in den Alpen komme es nach schweren Unwettern zu Streckenunterbrüchen, weil Galerien oder Brücken einstürzen. Doch den SBB sei es jeweils gelungen, in kurzer Zeit einspurige Notlösungen bereit zu stellen.

«Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass das in Deutschland jetzt nicht gelungen ist – bei so einer einfachen, flachen Strecke wie in Rastatt.» Er rechnet mit einem erheblichen Verlust in der Höhe von 50 Millionen Franken: «Mit Zusatzmassnahmen können wir heute die Hälfte des Verkehrs bewältigen, die andere Hälfte muss durch Konkurrenten auf der Strasse gefahren werden.» Hans-Jörg Bertschi fürchtet deshalb auch, dass er Kunden an Konkurrenten verlieren wird.

Engpässe bei Versorgung mit Rohstoffen

Sperrung der Rheintal-Linie

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Seit dem 12. August ist die Strecke nach einem Baustellenunfall in Rastatt unterbochen. Auf der Rheintal-Linie passieren normalerweise 200 Güterzüge täglich. Die Nord-Süd-Achse ist das Rückgrat des europäischen Güterverkehrs von Rotterdam bis Genua. Laut Auskunft der Deutscher Bahn gegenüber «ECO», dauern die Arbeiten in Rastatt bis am 7. Oktober.

Auch verschiedene von «ECO» angefragte Produktionsunternehmen leiden unter der Streckensperrung: Syngenta musste die Produktion im aargauischen Kaisten zwischenzeitlich einstellen. Nun seien alternative Routen gefunden worden.

Auch BASF hatte Engpässe in der Versorgung mit Rohstoffen und Zwischenprodukten.

Zementhersteller Lafarge Holcim konnte 80 Prozent der Transporte auf alternative Bahnrouten verschieben.

Beim Mineralölunternehmen Varo sind 10-15 Züge pro Woche betroffen. Es sei gelungen, die Ladung über Frankreich und Österreich umzuleiten – mit Mehrkosten von 50 Prozent.

Ganz anders ist die Situation am Rheinhafen in Basel: Wegen des Streckenunterbruchs wurde der Transport vieler Güter kurzerhand auf Schiffe umdisponiert. Hans-Peter Hadorn, Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen: «Der Umschlag ist um 40 Prozent gestiegen – von 9000 auf 12'500 Container.» Damit sei man ander Kapazitätsgrenze angelangt.

Baustellenplanung in ganz Europa

Mit einem Verlust im ein- oder tiefen zweistelligen Millionenbereich rechnet auch Daniel Bürgy, stellvertretender Leiter von SBB Cargo. Im Vordergrund stehe zurzeit aber, die Lage in den Griff zu bekommen: «Letzte Woche fuhren etwa 20 Prozent der Züge, diese Woche bewegen wir uns in Richtung 50 bis 60 Prozent der normalen Anzahl.» Die Lage bleibe angespannt.

Wichtig sei es, die richtigen Lehren aus dem Baustellenunfall bei Rastatt zu ziehen: Bisher wird laut Bürgy die Baustellenplanung in Europa von den Infrastrukturbetreibern getrennt angegangen. «Da werden wir viel stärker darauf achten, dass von der Nordsee bis nach Italien geschaut wird, wann wo gebaut wird».

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